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  • 08. April 2016

Satire: Persönliche Integrität ist Richtschnur für seriöse Kritik

Von Dennis Riehle | Freier Journalist
Zwischenruf

Ich gebe zu: Jan Böhmermann war für mich noch nie ein Sympathieträger. Aber das will er auch nicht sein. Er möchte provozieren. Und das tut er seit langem in scharfzüngiger Weise. Schon bisher empfand ich seine Art von „Satire“ teilweise überaus grenzwertig, aber im Zuge des Hinweises auf Kunst-, Meinungs- und Medienfreiheit galt auch für mich: Im Zweifel für den Angeklagten. Doch dieses Mal hat Böhmermann wohl nicht nur für mich den Bogen überspannt. Mit seinem Gedicht zu Erdogan schaffte er es zwar in die Schlagzeilen – das wollte er wahrscheinlich auch. Doch ob die Aktion dieses Mal so rühmlich ausgeht, wie sich Böhmermann das wohl erhoffte, wage ich zu bezweifeln.

Viele fragen: Warum darf er nicht, wenn doch die Kollegen des NDR mit ihrem Song über den türkischen Staatspräsidenten in Deutschland keinen Ärger für ihre Form der Kritik befürchten müssen und dafür sogar aus höchsten Kreisen in Schutz genommen werden? Tucholsky war es, der 19191 davon sprach, dass Satire „alles“ dürfe. Nein, da hatte er unrecht. Zumindest in unserem heutigen demokratischen Rechtsstaat kann solch eine pauschale Aussage nicht mehr gelten. Denn wo kämen wir mit diesem Denken hin? Dann müssten wir die Paragrafen zu Beleidigung und übler Nachrede auch abschaffen, könnten wir im Zweifel doch alles Anstößige unter dem Deckmantel der „Kunst“ für legitim erklären. Und was für eine Gesellschaft wäre das, in der jeder nach Belieben mit Worten aufeinander einhauen würde?

Böhmermann stellte seine Aussagen unter den Titel der „Schmähkritik“. Dünnes Eis, wie ich finde. Denn seine Worte waren weitaus mehr. Der Unterschied zu „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ aus der ARD ist recht eindeutig: Hatte man dort das politische Handeln, die Denkweise, die Weltanschauung und die Überzeugungen des türkischen Staatsoberhauptes angeprangert, überschritt Böhmermann eine Grenze, die für mich als Leitlinie bei aller Satire gilt: die persönliche Integrität. Sie ist unantastbar, denn die Ehre eines Menschen schützt nicht nur der Pressekodex, sondern auch das Grundgesetz. Respekt vor einer Persönlichkeit zu haben, das bedeutet nicht, ihr Wirken oder ihren Charakter gutzuheißen, aber ihre menschliche Unversehrtheit zu achten. Das hat Böhmermann leider bist heute nicht verstanden.

Und nicht nur, dass Witze über Geschlechtsteile und Ziegen niveaulos sind. Im Gedicht von „Neo Magazin Royale“ wird ein Mensch in seinen unabänderlichen, evolutionär bedingten Eigenschaften angegriffen, die nichts mit dem zu tun haben, was eigentlich Gegenstand der Kritik ist. Es mag für Böhmermann lustig sein, sich solche weichen Ziele bei seiner Denunziation auszusuchen. Mir zeigt seine Art von Humor eher, dass er offenkundig nicht zu seriöser Satire in der Lage ist und möglicherweise die inhaltliche Auseinandersetzung mit Erdogan auf künstlerische Art und Weise scheut – oder nicht beherrscht. Eigentlich ein Armutszeugnis für ihn – und das ZDF.

Denn auch wenn wir die Ansichten des türkischen Präsidenten, sein Vorgehen und sein Agieren nicht akzeptieren, hat er als Mensch eine Würde – wie jeder von uns. Das mag uns gefallen oder nicht, aber das ist in unserem Land Standard. Und daran haben wir uns zu halten – denn in der Bundesrepublik können wir stolz darauf sein, dass es anders zugeht als in der Türkei.  Da müssen uns nicht auch noch der Rechtsbrüchigkeit dort anzubiedern versuchen. Denn mit seiner Uneinsichtigkeit erweist Böhmermann Erdogan einen Bärendienst: Letztlich zeigt der selbsternannte Schmähkritiker, dass er auch nicht besser ist als jemand, der Gesetze am Bosporus zu brechen vermag. Einen Spiegel vorzuhalten, das geht anders. Dafür muss man sich nicht auf die gleiche Ebene herunter beugen, sondern aufrichtig bleiben. Das haben die Journalisten bei „Extra 3“ vorbildlich gezeigt.

Und das „Zweite Deutsche Fernsehen“ hat zwar letztlich richtig entschieden, mit der Entfernung des Beitrags ein klares Zeichen zu setzen, an dem sich künftig auch andere Künstler orientieren können. Letztlich muss sich der Sender aber strukturelle Fragen gefallen lassen: Wie ist es möglich, dass der Redakteur, der die Ausgabe des Magazins abnahm, solch einen Text durchwinkte? Fehlen die einheitlichen Vorgaben? Muss künftig die Kontrolle anders organisiert werden? Wieso wird die Sendung zunächst ausgestrahlt – und muss dann komplett und später teilweise wieder aus der „Mediathek“ genommen werden? Peinliche Zustände, die man in Mainz nun aufarbeiten muss…


Ressort: Politik

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