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Mutterschutz nach Fehlgeburten
Natascha Sagorski mit Tafel zum Gestaffelten Mutterschutz, aufgenommen am 15.9.2023 bei den Vorbereitungen zu Deutschlands erster Familienkette in Berlin ©Fulmidas Medienagentur
  • 25. September 2024

Mutterschutz nach Fehlgeburten

Von Claudia Bender, Anja Baer | Fulmidas Medienagentur GmbH

— Ein Wink mit dem Zaunpfahl vom Bundesverfassungsgericht

Karlsruhe, 25. September 2024: Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde „Gewährung von Mutterschutz nach einer Fehlgeburt“ nicht zur Entscheidung angenommen, u.a. weil der Begriff der Entbindung im Mutterschutzgesetz überhaupt nicht definiert ist und somit die Möglichkeit besteht, dass Frauen nach Fehlgeburten auch zivilrechtlich Anspruch auf die Zahlung von Mutterschaftsgeld und den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld der Arbeitgeber haben können. Dieser Rechtsweg hätte zunächst ausgeschöpft werden müssen, so das Gericht. Damit stellt das Bundesverfassungsgericht die aktuelle und jahrzehntelange Praxis der Anwendung des Mutterschutzgesetzes in Frage.

Aus der Begründung:

„Denn der Gesetzgeber stellte bei Einführung des mutterschutzrechtlichen Kündigungsverbots bei Fehlgeburten ausdrücklich klar, dass er die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung des Begriffs „Entbindung“ vorgenommene Bezugnahme auf die Personenstandsverordnung aus medizinischer Sicht und nach Intention des Mutterschutzgesetzes für nicht sachgerecht erachtet.“

Rechtsanwalt Prof. Dr. Remo Klinger, der die Beschwerdeführerinnen in Karlsruhe vertreten hat: „Seit Jahrzehnten gehen Arbeitgeber in Deutschland davon aus, dass sie keinen Mutterschutz gewähren müssen, wenn Frauen eine Fehlgeburt vor der 24. Schwangerschaftswoche erleiden. Das Bundesverfassungsgericht hat heute klargestellt, dass es keine rechtliche Sicherheit für diese Annahme gibt. Entscheidend für den Mutterschutz ist, ob eine Frau entbunden hat. Wann dies der Fall ist, hat nichts mit den starren Wochengrenzen des Personenstandsrechts zu tun. Es ist eine bislang gesetzlich ungeregelte Frage, die nach medizinischen Gesichtspunkten zu entscheiden ist. Allein für diese Klarstellung hat sich das Verfahren gelohnt.“

Vorbeugung einer Klageflut: Schnelles und entschlossenes politisches Handeln nötig

Um nun einer Vielzahl von zivilrechtlichen Klagen auf Mutterschaftsgeld deutschlandweit, die teils unterschiedliche Rechtsprechung und somit eine Rechtsunsicherheit auslösen können, vorzubeugen, ist nun ein schnelles politisches Handeln erforderlich.

Aktuell beraten die demokratischen Fraktionen im Familienausschuss des Bundestages über einen Gesetzentwurf zum Gestaffelten Mutterschutz. Diese Gesetzesinitiative hat heute noch einmal an Bedeutung gewonnen und ihre Umsetzung ist noch einmal dringlicher geworden.

Schaffung von Rechtssicherheit für Frauen durch den gestaffelten Mutterschutz

Obwohl sich alle Parteien nach der 2022 gestarteten Petition zum gestaffelten Mutterschutz weitestgehend einig sind, kam es bisher noch nicht zu einer Umsetzung. Eine weitere Verzögerung des Prozesses könnte eine Flut von zivilrechtlichen Klassen nach sich ziehen. Die genaue Zahl von Fehlgeburten pro Jahr wurde in Deutschland nicht erhoben, man geht davon aus, dass jede dritte Frau betroffen ist.

Aus der Begründung

„Dass sich die Sozialgerichte bei der Beurteilung etwaiger Zahlungsklagen auf Mutterschaftsgeld der vom Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit vorgenommenen Auslegung anschließen, wonach eine Fehlgeburt keine Entbindung darstellt, ist entgegen der pauschalen Annahme der Beschwerdeführerinnen (…) nicht offensichtlich.

Der Begriff der Entbindung wurde durch den Gesetzgeber weder im Mutterschutzrecht noch in den zugehörigen sozialrechtlichen Bestimmungen konkretisiert.“

Die Initiatorinnen der Verfassungsbeschwerde Natascha Sagorski und Isa Grütering begrüßen die Begründung des Gerichts:

Isa Grütering: „Mit der Feststellung, dass die arbeitsrechtliche Definition von Entbindung im Mutterschutzgesetz fehlt und ein zivilrechtliches Vorgehen von Betroffenen als möglich erachtet wird, ist der Weg frei für eine völlig neue Anwendung des Mutterschutzgesetzes mit der Frau im Fokus.“

Natascha Sagorski: „Das Wichtigste ist nun die schnelle Schaffung von Rechtssicherheit durch den Gesetzgeber. Wir brauchen keine Klageflut, sondern einen Gestaffelten Mutterschutz, der zu mehr Gerechtigkeit führt und dessen schnelle Umsetzung nun noch wichtiger und dringender ist.“

Im Oktober startet eine bundesweite Kampagne zum gestaffelten Mutterschutz auf Initiative der gemeinnützigen Organisation Familie sind alle sowie der IKK e.V. und mkk mit der Unterstützung von prominenten Persönlichkeiten aus Zivilgesellschaft und Politik und einer Veranstaltung im Bundestag am 9. Oktober. Weitere Infos folgen in Kürze.




Ressort: Politik

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