- 26. Oktober 2021
Das Scheitern des Rahmenabkommens EU-Schweiz
– was bedeutet dies für die grenzüberschreitende Kooperation am Bodensee?
Sieben Jahre haben die EU und die Schweiz über ein neues Rahmenabkommen zur Gestaltung ihrer künftigen Beziehungen verhandelt. Keine leichte Aufgabe, sollte dieses Abkommen doch die bis dato bestehenden, unzähligen bilateralen Abkommen unter einem Dach bündeln. Obwohl das Vertragswerk am Ende schon weit gediehen war, hat der Schweizer Bundesrat Ende Mai 2021 die Verhandlungen abgebrochen. Unüberwindlich schien offenbar der Dissens in den wenigen verbliebenen Punkten, namentlich der Personenfreizügigkeit / Unionsbürgerrichtlinie, beim Lohnschutz oder bei der Rolle des Europäischen Gerichtshofs im Hinblick auf die Souveränität der Schweiz. Ob die Verhandlungen nochmals aufgenommen werden, ist derzeit mehr als ungewiss.
In der Schweiz und nicht minder in den angrenzenden EU-Staaten wird nun allenthalben darüber diskutiert, was das Scheitern dieses Abkommens für die Wirtschaft in der Bodenseeregion und am Hochrhein bedeutet. Besonders in der Schweiz rechnet die Wirtschaft mit negativen Auswirkungen auf den Wirtschafts- und Forschungsstandort. Die EU hat angekündigt, im Falle eines Scheiterns keine neuen Marktzugangsabkommen mehr mit der Schweiz zu schließen und keine bestehenden Abkommen aufzudatieren, was für die Medizintechnikbranche und die Maschinenbauindustrie schon bald zu spürbaren Problemen führen dürfte. Auch auf deutscher Seite, an Hochrhein und Bodensee, sorgt das Scheitern des Abkommens für Bedauern und Besorgnis. Über 100 bilaterale Verträge mussen nun weiter fortlaufend aktualisiert werden. Dagegen hatte man sich Erleichterungen für den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr und langfristige Rechtssicherheit erhofft.
Die Bodenseeregion ist wirtschaftlich und gesellschaftlich über die Grenzen hinweg eng verflochten. In der Industrie, dem Handel oder auch der Gastronomie bestehen vielfältige Beziehungen zwischen dem österreichischen Bundesland Vorarlberg und den süddeutschen Landkreisen, der Ostschweiz und den Metropolregionen Zürich und Basel. Auch entlang des Hochrheins haben sich enge Verbindungen über die Grenzen hinweg über Jahrzehnte etabliert und prägen das Leben der Bevölkerung oft stärker als die in das jeweilige Hinterland. Die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger der Grenzregionen an Bodensee und Hochrhein haben das Scheitern des Rahmenabkommens bedauert und deutlich auf mögliche negative Effekte in Bezug auf die wirtschaftlichen Verflechtungen hingewiesen.
Die Auswirkungen des gescheiterten Rahmenabkommens sind naturgemäß grenzüberschreitend, die Diskussionen hierzu sind es aktuell eher nicht. In der Schweiz wird bislang hauptsächlich auf nationaler Ebene diskutiert, gleiches gilt für die Grenzregionen in Deutschland und Österreich. Das möchten wir ändern!
Denn gerade Grenzräume, wie die Bodenseeregion, sind von der Entwicklung besonders betroffen. Es stellt sich die Frage, ob und wie die grenzregionale Politik in der Bodenseeregion auf diese neue Situation reagieren muss. Bedarf es einer Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, wie man sie beispielsweise nach dem EWR-Nein der Schweiz im Jahr 1992 beobachten konnte? Braucht es eine stärkere Interessengemeinschaft der Grenzregionen gegenüber Bern und Brüssel, um für stabile Rahmenbedingungen für die regionalen Wirtschaftsräume zu werben? Oder gibt es auch auf regionaler Ebene Möglichkeiten, negativen Auswirkungen entgegenzuwirken und wenn ja, was ist hierfür nötig?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich das diesjährige DenkRaumForum in Kooperation mit der IHK Hochrhein-Bodensee und möchte den Dialog hierzu über die Grenzen hinweg fördern.
Programm
Begrüßung: Dr. Roland Scherer, Institut für Systemisches Management und Public Governance IMP-HSG, Universität St.Gallen | DenkRaumBodensee
Einführung: Der D-A-CH-Lie-Raum – ein eng verflochtener Wirtschafts- und Lebensraum:
Das Scheitern des Rahmenabkommens EU-Schweiz – eine Einordnung aus wirtschaftspolitischer und staatswissenschaftlicher Sicht
Prof. Dr. Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer IHK Hochrhein-Bodensee
Dr. Jan Atteslander, Mitglied der Geschäftsleitung, Leiter Außenwirtschaft, economiesuisse
Prof. Dr. Christoph Frei, Titularprofessor für Politikwissenschaft mit besonderer Berücksichtigung der Internationalen Beziehungen, Universität St. Gallen
Im Gespräch: Was heisst dies für die grenzregionale Politik am Bodensee?
Fredy Fässler, Regierungsrat Kanton St.Gallen, Vorsitzender Internationale Bodensee-Konferenz (IBK)
Dr. Ann-Veruschka Jurisch, Mitglied des Deutschen Bundestages, FDP (angefragt)
Bei der Veranstaltung gelten die aktuellen Corona-Vorgaben.
Die Veranstaltung wird auch per Livestream übertragen und steht im Nachgang auf dem
youtube-Kanal von DenkRaumBodensee zur Verfügung. Den Link zum Livestream finden Sie zu Beginn der Veranstaltung hier.
Anmeldung
Bitte melden Sie sich bis zum 5. November 2021 via Telefon 07531 2860-190 oder E-Mail
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