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Beratungsstelle erkennt Fortschritte bei der Barrierefreiheit
Rollstuhl ©Gerald Kaufmann
  • 19. Dezember 2022

Beratungsstelle erkennt Fortschritte bei der Barrierefreiheit

Von Super User

„Ganz so dramatisch sehe ich die Lage nun tatsächlich nicht!“

In den letzten Wochen wurde intensiv über die Barrierefreiheit in Deutschland gesprochen. Zahlreiche Verbände und Organisationen haben Kritik geübt, dass der Hürdenabbau nicht schnell genug vorankomme. „Ganz so dramatisch, wie das manch ein Funktionär in den vergangenen Tagen zum Ausdruck gebracht hat, sehe ich die Lage aber nicht“, befindet der Leiter der Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung, „Beratung mit Handicap“, Dennis Riehle (Konstanz). Der Sozialberater formuliert in einer aktuellen Stellungnahme: „Ich habe wiederholt gesagt, dass die Bundesrepublik der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention deutlich hinterher hinkt. Allerdings halte ich es nicht für angemessen, zu attestieren, dass wir überhaupt nicht weitergekommen seien. Und dass es Personen mit einer Beeinträchtigung bei uns nicht möglich wäre, an Bildung oder dem Gesundheitssystem zu partizipieren.

Solche absoluten Einschätzungen teile ich nicht und empfinde sie als polemisch und unfair gegenüber allen, die sich für eine bessere Teilhabe von Menschen mit Handicap einsetzen. Denn ihr Tun ist keinesfalls umsonst. Und auch die Politik bemüht sich, da habe ich keinen Zweifel. Und wenn wir das Thema des Zugangs zu Ärzten, Kliniken oder anderen medizinischen Einrichtungen ansprechen: Dort hat sich sehr viel mit Blick auf eine an Barrieren ärmere Infrastruktur getan. Und auch der Versuch, dem Personenkreis in den Praxen anerkennend, gleichwertig und chancengerecht zu begegnen, ist sicher nicht gescheitert. Man ist dabei, viele Dokumente in leichter Sprache und allgemeinverständlicher zu verfassen, inklusive der Befundberichte und ärztlichen Dokumentation, notwendiger Aufklärungsbögen oder Anamnesefragen. Es gibt heute nur noch wenige Einrichtungen in diesem Bereich, die bewegungseingeschränkte Patienten nicht erreichen können. Und auch erkenne ich keine pauschalen Hinweise, dass behinderten Menschen eine der Erkrankung und Probleme zugeschnittene Behandlung und Therapie versagt würde. Auch erscheint mir nicht, dass sie dort weniger ernst genommen würden“.

Riehle berichtet aus der Sozialberatung, dass die Beschwerden sich diesbezüglich auch im Rahmen hielten. Und selbst in Schulen und Universitäten hat man aufgeholt. Massive Investitionen sind in den barrierefreien Umbau geflossen. Auch Nachteilsausgleiche werden hier gewährt und dem Leistungsniveau von Menschen mit Behinderung angepasst – wenngleich das bislang nicht einheitlich erfolgt. Inklusion scheitert zumeist in den Köpfen der ohne Handicap lebenden Mitbürger, nicht aber am Willen von den Verantwortlichen, bestmöglich nachzuarbeiten. Der selbst schwerbehinderte Psychologische Berater erkennt vor allem Defizite dort, wo man sie zuerst nicht vermuten würde: „Das ist beispielsweise die Schriftgröße von Lernmaterial, die nicht für sehbehinderte Schüler ausgerichtet ist. Oder aber in der komplizierten Formulierung von Immatrikulationsunterlagen, die in einer einfacheren Wortwahl gefasst sein sollten. Aber auch in der Beschilderung und bei Raumplänen wurde nicht auf Verständlichkeit geachtet. Es geht daneben um Kleinigkeiten, die dem nicht Gehandicapten kaum auffallen würden: Da ist ein geräumiger Aufzug vorhanden, aber niemand hat die Unebenheiten im Boden bemerkt.

Oder das Versäumnis, neben einer Anschaffung einer Rampe auch die Breite der Tür zu vergrößern. Und dass im Kauf von Büchern zumindest eine Ausgabe in Blindenschrift vergessen wurde“, zählt der 37-Jährige Beispiele aus der Beratung auf. „Letztendlich ist das keine strukturelle Diskriminierung, sondern in den allermeisten Fällen ein Übersehen von Behindertenrechten in der Praxis und dem Anliegen der Inklusion, was ich nicht als bewusst oder gezielt ansehen würde. Viel eher braucht es noch stärkere Ambitionen zur Sensibilität. Es muss in den Köpfen verankert werden, dass Menschen verschieden sind. Pluralismus und Diversität sollten Selbstverständlichkeit werden. Ich nehme es niemandem übel, der als Nicht-Behinderter Schwierigkeiten hat, die Perspektive eines Gehandicapten einzunehmen oder sie im Stress des Alltags ungewollt ausblendet. Stattdessen kritisiere ich auch manch einen aus meiner Zunft, denn es obliegt beeinträchtigten Menschen, durch ihren Beitrag der Mitsprache Veränderungen herbeizuführen. Bedauerlicherweise sind dazu nur wenige Betroffene bereit. Sie erwarten etwas von der Gesellschaft, wollen aber nicht mithelfen, den Wandel durch ihre Expertise zu beschleunigen. Damit Barrierefreiheit gelebt werden kann, braucht es Offenheit zur Beteiligung“.

Die Anlaufstelle „Beratung mit Handicap“ ist bundesweit kostenlos für jeden Hilfesuchenden mit und ohne Behinderung unter der Webadresse www.beratung-mit-handicap.de erreichbar. Der Datenschutz und die Verschwiegenheit werden hierbei gewährleistet. Es findet lediglich eine allgemeine Sozialgesetzaufklärung statt, tiefergehende Einzelfallbewertungen sind Anwälten vorbehalten.




Ressort: Politik

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