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Moche — 1000 Jahre vor den Inka
Gabelhalsflasche in Form eines liegenden Panflötenspielers ©Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Slg. Ebnöther, Foto: Ivan Ivic
  • 29. Februar 2024

Moche — 1000 Jahre vor den Inka

Von Suzanne Mennel | Museum zu Allerheiligen Schaffhausen

Kurzzeitig standen sie 1987 im Fokus der Weltöffentlichkeit, nachdem der peruanische Archäologe Walter Alva ein Fürstengrab mit spektakulären Beigaben entdeckt hatte: die Moche. Seither ist es deutlich ruhiger geworden um die faszinierende Nordküstenkultur Perus, die zwischen 100 und 800 n. Chr. florierte. In einer umfassenden Sonderschau präsentiert das Museum zu Allerheiligen Schaffhausen die Moche erstmals in der deutschen Schweiz.

Rund 1000 Jahre vor dem Untergang Inka-Imperiums (1533) befand sich die Moche-Kultur in ihrer Hochblüte. Flankiert von den Gebirgszügen der Anden auf der einen und des Pazifiks auf der anderen Seite, bewohnten die Moche-Leute einen Siedlungsraum der Extreme. Er wird regelmässig heimgesucht von Naturkatastrophen wie jener des El Niňo, von Erdbeben, Dürren und Sintfluten. Diese bedrohliche Umwelt hat das Denken und Wirken der Moche stark beeinflusst.

Ein Panorama der Moche-Kultur und ihrer Lebenswelten

Die Ausstellung entfaltet auf rund 750 m² Ausstellungsfläche ein Panorama der Moche-Kultur und ihrer Lebenswelten. Kostbarer Schmuck, elaborierte Gefässe, metallene Masken oder kunstvoll gearbeitete Waffen zeugen von meisterhaften Handwerkern und erzählen von Ritualen und Zeremonien. Weiter geben sie wichtige Hinweise auf das Wesen der politischen Elite, die Glaubenswelt sowie die gesellschaftliche Stellung etwa der Frauen oder der Bauern. Die rund 230 Exponate stammen mehrheitlich aus der museumseigenen Sammlung Ebnöther, die knapp 50 ausgesuchten Leihgaben sind aus deutschen und Schweizer Museen nach Schaffhausen gereist. Verschiedene Medienstationen vertiefen die Informationen zu den sorgfältig inszenierten Exponaten. Besonders eindrücklich ist die filmische Animation eines «Kriegererzählung» genannten Narrativs: Auf der Leinwand bekämpfen sich Moche-Krieger in halber Lebensgrösse, während die kleinen, feinmalerischen Vorlagen zur Animation in der benachbarten Vitrine, auf Gabelhalsflaschen gemalt, bewundert werden können.

Gabelhalsflasche in Form eines Koka kauenden KriegersGabelhalsflasche in Form eines Koka kauenden Kriegers, © Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Slg. Ebnöther, Foto: Ivan Ivic

Beim Eintritt in die Ausstellung erinnert eine Lastenträgerin daran, dass in den Anden sämtliches Material entweder vom Menschen oder aber von Lamas transportiert werden musste. Die Last der Trägerin wiederum − ein Krug mit Maisbier − verweist auf Festlichkeiten und Rituale. Hochkarätige Preziosen, aber auch eher schlichte Objekte – etwa eine hölzerne Kriegskeule – lassen die Besucher in die Welt der Moche eintauchen. Dort begegnen sie zahlreichen Meisterwerken der Moche- Metallurgie wie zum Beispiel einer zinnoberfarbenen Kupfermaske mit Reisszähnen, Augenbrauen aus ineinandergeflochtenen Drähten und einem Nasenschmuck aus Gold und Türkis. Das bekannteste und grossartigste Kulturerbe der Moche ist zweifellos die kunstvolle Keramik, die zu einem wesentlichen Teil als Gabe für die Verstorbenen diente. Sie ist in der Ausstellung prominent und mit teilweise berühmten Gefässen, wie etwa der Gabelhalsflasche mit einer Robbenjagd-Szene aus dem Linden-Museum Stuttgart, vertreten. Besonders eindrücklich und absolut einmalig in der präkolumbischen Kunst Südamerikas sind die Porträtgefässe. Diese Vasen verblüffen durch die lebensechte Wiedergabe offensichtlich individueller Gesichtszüge. Hier begegnen wir den Elite- Angehörigen der Moche gewissermassen auf Augenhöhe. Einem bestimmten Individuum begegnet man in der Schau gleich mehrfach: Die männliche Person wird heute «Narbenlippe» genannt und wurde im Verlauf ihres Lebens immer wieder porträtiert. In der Ausstellung kann der Alterungsprozess dieses wahrscheinlich bedeutenden Kriegers anhand von zwei Originalen und zahlreicher Porträtfotos auf einer Medienstation nachvollzogen werden.

Krieger mit Streitaxtund RundschildKrieger mit Streitaxtund Rundschild, Kupfer, versilbert ©Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Slg. Ebnöther, Foto: Ivan Ivic

Ein Schweizer Forscher in Peru

Aus Näfels nach Schaffhausen reisten einige Zeichnungen und Aquarelle altperuanischer Artefakte sowie Landschaften. Sie stammen aus der Hand des Schweizer Universalgelehrten Johann Jakob von Tschudi (1818–1889). Er bereiste ab 1838 mehrmals und für längere Zeit diverse Staaten Südamerikas. Tschudi gehört zu den Pionieren der peruanischen Archäologie und hat Moche-Objekte aquarelliert, lange bevor diese Kultur einen eigenen Namen erhalten hat. Der "Schweizerische Humboldt" ist in jüngster Zeit wegen seiner kolonialistisch geprägten Sicht auf Südamerika und wegen seines "forcierten Erwerbs" einer antiken Götterstatue in den Fokus der Medien gerückt. Tschudis Leben und seine Hinterlassenschaft bieten in der Schaffhauser Ausstellung einen idealen Ausgangspunkt zu aktuellen Themen wie Grabräuberei und Antikenhandel.

Katalog

Zur Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag in München ein umfangreicher Katalog. Eine internationale Gruppe von Fachspezialisten und Wissenschaftlerinnen stellt in dieser Publikation sämtliche 208 Moche-Objekte der Sammlung Ebnöther vor. Viele davon werden zum ersten Mal publiziert. CHF 59, erhältlich ab 30. September 2023 im Museumsshop.

Die Sammlung Ebnöther und die Moche-Kultur

Mit der Sammlung Ebnöther besitzt das Museum zu Allerheiligen Schaffhausen eine Antikensammlung von internationaler Bedeutung. Über 6000 Objekte aus zahlreichen antiken Kulturen hat der leidenschaftliche Sammler Dr. Marcel Ebnöther (1920-2008) während gut zweier Jahrzehnte zusammengetragen. 1991 schenkte er seine Sammlung der Stadt Schaffhausen. Seither bildet sie ein Highlight unter den breit gefächerten Beständen des Museums zu Allerheiligen 208 Objekte aus der Sammlung Ebnöther entstammen der Moche-Kultur. Verglichen mit den Kollektionen peruanischer Museen ist diese Objektgruppe zwar weniger umfangreich, geniesst in Fachkreisen aufgrund ihrer hohen Qualität jedoch grossen Respekt. Dank der klugen Auswahl Ebnöthers bildet die Schaffhauser Sammlung eine ideale Basis für unsere Sonderausstellung, zeigt sie doch die gesamte Bandbreite des exquisiten Moche-Kunsthandwerks. Herausragend ist etwa die silberne Totenmaske eines Fürsten, ein wahres Meisterwerk der Moche-Metallurgie. Das bedeutendste Handwerk der Moche, die Keramikkunst, ist in der Sammlung mit zahlreichen figurativen oder feinmalerisch geschmückten Gefässen sehr prominent vertreten.

Ebnöther hat die Moche-Kultur auf zahlreichen Reisen durch Peru bestens kennengelernt. Er blieb zeitlebens fasziniert von der Schönheit und Ausdruckskraft ihrer kunsthandwerklichen und architektonischen Hinterlassenschaft

 


Ressort: Aargau/Schaffhausen

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