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Wissenstransfer von Kontinent zu Kontinent
Die Studierenden der HTWG wurden herzlich aufgenommen. In vielen Gesprächen mit der Dorfbevölkerung erkundeten sie deren Bedürfnisse.
  • 20. März 2019

Wissenstransfer von Kontinent zu Kontinent

Von Anja Wischer | HTWG Konstanz

Aus einem Semesterprojekt wird eine große Aufgabe: Studierende bringen Strom in ein Dorf in Kamerun – in Zusammenarbeit mit den Bewohnern vor Ort.

Studierende der HTWG wollen gemeinsam mit der Bevölkerung vor Ort die Stromversorgung in einem Dorf in Kamerun aufbauen. Nach einem Besuch in Botbéa wollen sie die Dorfbewohner in Fernkursen schulen, Solarpanels selbst zu produzieren und zu warten. Ursprünglich waren sie mit der Vorstellung nach Kamerun gereist, das Dorf per Solarenergie mit Licht zu versorgen, damit Kinder auch am Abend lernen und die Bewohner ihre Hausarbeiten erledigen können. „Wir haben vor Ort jedoch gemerkt, dass unsere Probleme nicht die Probleme der Bevölkerung sind“, sagt Ruven Dreischke. Der Student der Elektro- und Informationstechnik klingt jedoch keineswegs resigniert, wenn er von der Reise nach Kamerun berichtet. Ganz im Gegenteil: „Wir wissen jetzt, was wir tun können, damit unser Hilfsangebot wirklich etwas bringt und nachhaltig sein kann“, sagt Lena Golda, die im fünften Semester Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau studiert.

Beide waren zusammen mit den Studierenden Rebekka Reichert und Jakob Jansen, Dozent Wolfgang Heisel und dem Konstanzer Paul Ngwe als Vertreter einer NGO (Nichtregierungsorganisation) fünf Tage in dem 200 Kilometer von der Hafenstadt Douala entfernten Dorf auf Erkundungstour. Nach Gesprächen mit den Dorfbewohnern haben sie ihr Konzept überdacht. „Wir haben zum Beispiel mit einem jungen Mann gesprochen, dessen dringendster Wunsch ist, in einer eigenen Werkstatt Mopeds reparieren zu können. Aber wie soll das gehen ohne Akkuschrauber? Der braucht Strom. Der junge Mann wird das Dorf verlassen“, sagt Heisel voraus. „Also haben wir uns gefragt: Unter welchen Bedingungen würden sich die Lebensumstände wirklich verbessern? Ist Licht tatsächlich das, was alles besser macht? Wieso ist es dann in anderen Dörfern, in denen ähnliche Projekte bereits erfolgreich umgesetzt worden sind, nicht so viel besser geworden?“, so Ruven Dreischke. Schließlich sollte ihr Projekt einen nachhaltigen Nutzen bringen, Frauen neue Perspektiven bieten und Männern den Druck nehmen, während der Woche zum Arbeiten in die Stadt zu fahren. So entwickelten sie ihr Konzept neu, erweitert um den Wunsch, der Dorfbevölkerung Wissen statt Material zu übergeben, nicht nur in einem Besuch vor Ort, sondern in einem langfristigen Kontakt per Smartphone, zum Beispiel in dreiminütigen Video-Streams. Bisher fahren die Dorfbewohner in einen Nachbarort, um den Akku zu laden. In „Wissensnuggets“ per Video wollen die Studierenden Anleitungen zum Aufbau einer Stromversorgung durch Solarenergie vermitteln. Die Kommunikation wäre dann nicht nur einseitig. Die Dorfbewohner könnten in Videotutorials wiederum ihre Herausforderungen und Lösungen dokumentieren.

Der Beginn des Hilfsprojekts liegt in der Veranstaltung „Management für Technologie und Innovation“ für Maschinenbau-Studenten. Hier stellte Dozent Wolfgang Heisel 2017 seinen Studierenden die Aufgabe, zu überprüfen, ob die Beleuchtung des Dorfes mit 60 Häusern und 500 Einwohnern in Kamerun mit erneuerbaren Energien machbar wäre beziehungsweise was nötig wäre, um das Projekt umzusetzen. Die Semesterarbeit stellte sich als wichtige Grundlage für die Umsetzung des Projektes heraus. „Wir rechneten viel und versuchten, möglichst genaue Zahlen zusammenzustellen“, erinnert sich Lena Golda und ergänzt: „Wir haben sehr viel recherchiert und zum Beispiel auch überprüft, ob statt Solarenergie auch Wind- oder Wasserkraft ein Thema sein könnten.“ Obwohl es schwer war, die Kosten von Materialien vor Ort zu recherchieren, setzten sie eine Kalkulation für das Projekt auf. „Angefressen“ von der Arbeit wollten die Studierenden das Projekt dann auch umsetzen. Über das International Solar Energy Research Center (ISC) Konstanz e.V., das ebenfalls schon einige Projekte in Kamerun durchgeführt hatte, wurde das Projekt auch außerhalb von Deutschland bekannt. Schließlich interessierte sich der Verein „Helfen ohne Grenzen“ aus Südtirol dafür und war bereit, die Geldmittel für die Durchführung bereitzustellen.

Allen Projektbeteiligten war jedoch klar, dass für die konkrete Umsetzung die Erkundung der örtlichen Gegebenheiten nötig sein wird. Bis zur Erkundung war zum Beispiel unklar, wie es mit der Sonneneinstrahlung im Tal tatsächlich bestellt ist. Auch in der Hauptstadt Douala hatte sich das HTWG-Team umgeschaut, um zu erfahren, wo sich was kaufen lässt. „Unser Ziel ist schließlich die Produktion von Solarpanels vor Ort aus Materialien vor Ort. Die Wertschöpfung entsteht vor Ort und somit steigt die Wertschätzung für das Produkt erheblich. Mit unseren finanziellen Mitteln soll hier ein Anreiz und Anschub gewährleistet werden“, blickt Heisel voraus.

Der nächste Schritt ist nun, in Konstanz einen Prototyp einer Solarzelle zu bauen, die so auch vor Ort in Kamerun gebaut werden kann. Sie muss möglichst langlebig sein, für die Gegebenheiten vor Ort passen und ihre Wartung soll einfach sein. Im kommenden Herbst wird das nächste Studierendenteam vor Ort sein, um die erste Anlage zu installieren. Das Projekt ist auch finanziell ehrgeizig. Derzeit stehen 80.000 Euro Mittel zur Verfügung. „Es ist äußerst ambitioniert, damit 60 Haushalte mit Material für Solarpanels auszustatten“, sagt Heisel. Das Team freut sich deshalb über weitere finanzielle Unterstützung und hat ein Spendenkonto eröffnet (http:/www.edusol.africa).


Ressort: Konstanz

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