- 16. Dezember 2021
Konstanzer Autor verlässt nach Jahren die Linkspartei
Der Konstanzer Autor und Berater Dennis Riehle hat als namhaftes Mitglied von DIE LINKE nach jahrelanger Zugehörigkeit die Partei verlassen. Er begründet diesen Schritt einerseits mit einer aus seiner Sicht mangelnden Einsicht vieler Parteistrukturen, das desaströse Wahlergebnis vom 26. September 2021 ernsthaft aufzuarbeiten. "Es wurde eine Mitgliederbeteiligung zur Reform der Linkspartei angekündigt. Auch nach zweieinhalb Monaten seit dem Wählervotum erkenne ich keinerlei Ambition, diese Partizipation auch tatsächlich umzusetzen", sagt der 36-Jährige, der in seiner Partei zum pragmatischen Flügel gehörte. "Zahlreiche Fehler haben sich angehäuft. So ist beispielsweise bis heute nicht klar, ob DIE LINKE im Bund überhaupt bereit wäre, politische Verantwortung zu übernehmen.
Besonders die linken Kräfte der Partei lehnen die Regierungsbeteiligung weiterhin ab, sodass auch perspektivisch keine Aussicht besteht, wonach man zur Übernahme von Verantwortung bereit wäre". Riehle kritisiert zudem, dass die linke Bundestagsfraktion ohne Einbeziehung der Mitglieder eine thematische Fokussierung vorgenommen habe. So kämen die Migrationspolitik und gesellschaftliche Fragen wie die Rechte von Homosexuellen oder behinderten Menschen zu kurz. Zwar sei eine sachliche Zuwendung zu Themen notwendig; es müsse sich aber um Anliegen handeln, die die Stammwähler der Partei in ihrem Alltag bewegten – beispielsweise Sozialleistungsempfänger, von Wohnungslosigkeit Bedrohte oder Geringverdiener. Zudem fehle es der Linken mittlerweile an Alleinstellungsmerkmalen. Es sei eine umfassende Neuausrichtung in der Programmatik nötig, sagt Riehle, der allerdings keine Anzeichen dafür erkennt, dass es auch so kommen werde: „Es werden viel eher ideologische Theorien und Utopien entwickelt, anstatt sich mit den Problemen derer zu befassen, die DIE LINKE lange als Stimme der sozial Schwächeren sahen“.
Überdies bemängelt Riehle den Umgangston in der Partei: „Reformpolitiker haben es in der Linken nicht leicht. Bis heute sieht man Spuren des Zusammenschlusses aus PDS und WASG. Während viele ostdeutsche Landesverbände überaus rational und wirklichkeitsnah denken, träumt man in Teilen der westdeutschen Anhängerschaft noch immer vom mehrfach gescheiterten Realsozialismus. Und gerade von dort sind mir massive Anfeindungen und Hetze zuteilgeworden, weil ich mich stets für eine vernunftbezogene Politik eingesetzt habe und diese Kritik auch in meinem Buch ‚Links gegrätscht!‘ zum Ausdruck gebracht habe, das von vielen Linken in den alten Bundesländern als Verrat an der linken Weltanschauung verstanden wurde“. Riehle hatte sich in zahlreichen Arbeitsgemeinschaften eingebracht und im Kreisverband Konstanz eine ehrenamtliche Sozialberatung für Arbeitslose mit „Hartz IV“-Bezug, Menschen mit Handicap, Mini-Jobber, Bedürftige und Kranke angeboten. „Nun werde ich mich wieder unabhängiger machen, was mein politisches Engagement angeht. Zwar liegen mir zwei Angebote von Parteien vor, mich gerne aufzunehmen. Ob ich mich allerdings wieder so rasch binden möchte, weiß ich noch nicht“, betont der Litzelstetter, dem es aber trotzdem ein Anliegen ist, sich auch weiterhin zu äußern: „Meine Schwerpunkte waren schon immer die Sozial- und Gesundheitspolitik, aber auch Kommunalpolitik, Innenpolitik, Außen- und Verteidigungspolitik bewegen mich als pazifistisch und solidarisch denkenden Menschen sehr. Und gerade in der Gesellschaftspolitik bin ich froh, wieder etwas befreiter denken zu können. Denn meine skeptische Haltung gegenüber der Liberalisierung von Cannabis, Aufweichungen beim Abtreibungsrecht oder in Sachen ‚Sterbehilfe‘ passten ja überhaupt nicht zu den Linken. Ich bin seit jeher ein Sozialer, Nachhaltiger, Liberaler und Wertebewahrender zugleich. Ich denke quer, ohne ein Querdenker zu sein“.
Comments powered by CComment