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Schlafstörungen haben oftmals eine seelische Herkunft
Kopf und Hirn ©Gerald Kaufmann
  • 21. März 2023

Schlafstörungen haben oftmals eine seelische Herkunft

Von Dennis Riehle | Konstanz

Selbsthilfeinitiative gibt Tipps für bessere Schlafhygiene

Im Deutschland leiden immer mehr Menschen unter kurzfristigen oder chronischen Schlafstörungen und sind damit weniger leistungsfähig, unausgeruht und beständig müde. Überwiegend sind Ein- und Durchschlafprobleme auf psychische Komponenten und nur selten auf körperliche Erkrankungen, beispielsweise neurologische Leiden, zurückzuführen. Wie kann es gelingen, die Spirale der mangelnden Schlafqualität und der sich daraus häufig ergebenden Angst vor der nächsten Nacht zu durchbrechen und besser zu ruhen? Hierzu macht die Selbsthilfeinitiative zu Zwängen, Phobien und Depressionen verschiedene Vorschläge. Der Leiter des ehrenamtlichen Angebots betont, dass viele Schlafstörungen auf eine seelische Ursache zurückzuführen seien, weshalb man gerade dort ansetzen müsse: „Die Uhrzeit für das Schlafengehen sollte jeden Tag um dieselbe Uhrzeit stattfinden. Fixieren Sie einen festen Zeitpunkt an, zu dem Sie gewöhnlicherweise müde werden und versuchen Sie, Ihre Tagesplanung darauf einzurichten, dass Sie regelmäßig zum gleichen Moment das Bett aufsuchen. Mittagsschlaf sollte vermieden werden, lediglich ein kurzes ‚Nickerchen‘ von 20 – 30 Minuten während des Tages ist sinnvoll. Stellen Sie sich gegebenenfalls den Wecker, um nach einer halben Stunde wieder wach zu sein und achten Sie abends darauf, diesen für den nächsten Morgen nicht jeden Tag neu einstellen zu müssen, sondern ihn automatisch klingeln zu lassen“, so Dennis Riehle. Der Psychologische Berater ist selbst betroffen und weiß daher aus eigener Erfahrung, was für eine bessere Schlafhygiene wichtig ist.

„Lassen Sie den Tag immer gleich ausklingen. Finden Sie heraus, welches Ritual Ihnen am besten passt, um zur Ruhe zu kommen. Vermeiden Sie Sport oder körperliche oder geistige Arbeit direkt vor dem Schlafengehen. Auch Lesen oder Aufräumen sind keine guten Abschlüsse für den Tag. Stattdessen kann etwas Meditatives oder Wohltuendes geeignet sein. Verwöhnen Sie sich beispielsweise mit einer kühlenden Gesichtsmaske im Sommer oder einem Wärmebad im Winter. Gestalten Sie die letzte halbe Stunde vor dem Zubettgehen mit einem festen Ablauf. Putzen Sie sich in einer wiederkehrenden Reihenfolge die Zähne, duschen Sie oder cremen Sie sich ein. Schreiben Sie Tagebuch und bringen Sie jeden Abend, etwa zwei Stunden vor dem Zubettgehen, alle Gedanken des Tages zu Papier. Schreiben Sie Nöte und Sorgen auf, aber auch alles, was Ihnen Positives widerfahren ist. Legen Sie den Ballast vom Tag ganz bewusst ab und schließen Sie mit dem Eintrag im Buch auch symbolisch die vergangenen 24 Stunden. Sie können dies auch mit einer Aktion kombinieren, beispielsweise durch das Auspusten einer Kerze, dem Einstecken einer Münze in ein Sparschwein oder einem Symbol im Kalender am Ende des jeweiligen Tages“, so der Sozialberater. 2Versuchen Sie, feste Arbeitszeiten einzuhalten und Überstunden zu vermeiden. Nehmen Sie keine Aufgaben vom Job mit nach Hause. Sprechen Sie Konflikte im Beruf oder in der Familie frühzeitig an. Führen Sie entsprechende Gespräche nicht in der zweiten Tageshälfte, sondern eher am Vormittag. Suchen Sie ein sinnstiftendes Hobby aus dem Sport, musikalisch-künstlerischem Bereich, Kochen oder Backen, Stricken und Häkeln oder ein Ehrenamt. Nehmen Sie Anzeichen der Überforderung rechtzeitig wahr, beispielsweise durch eine soziale Isolation oder Gereiztheit. Formulieren Sie Ihre Glaubenssätze neu, reduzieren Sie also die Anspruchshaltung an sich selbst und vermeiden Sie, unabgeschlossene Themen und Herausforderungen mit in die Nacht zu nehmen. Verzichten Sie auf ‚To Do‘-Listen für den nächsten Tag“, erklärt der auf Mentales Training spezialisierte Coach.

„Sofern Sie sich am nächsten Tag an Träume erinnern können, versuchen Sie diese nach dem Aufwachen zu notieren. Nachts arbeiten wir unsere Sorgen und Probleme des Tages ab und können in der symbolhaften und bilderreichen Sprache des Traums meistens sehr gut erkennen, was unser Unterbewusstsein momentan beschäftigt. Falls Sie einen Wecker am Bett haben, drehen Sie das Ziffernblatt von sich weg. Nachts sollten Sie beim Aufwachen nicht nach der Uhrzeit sehen, denn das könnte ein Wiedereinschlafen verhindern. Sofern Sie in der Nacht auch nach 30 Minuten nicht erneut einschlafen können, wälzen Sie sich nicht im Bett, sondern stehen Sie auf und trinken beispielsweise etwas, vermeiden Sie aber, dann fernzusehen oder auf dem Handy nach neuen Nachrichten zu schauen. Sie sollten eine Atmosphäre zum Einschlafen schaffen, die nicht aufwühlt oder unter Druck setzt und keine neuen Gedankenkreisläufe erzeugt. Dies gilt auch bereits abends beim Zubettgehen. Versuchen Sie insgesamt, auf eine leichte Kost umzusteigen. Wenn Sie warme Mahlzeiten abends zu sich nehmen, sollte dies vor 20 Uhr, aber stets mindestens zwei Stunden vor dem Zubettgehen stattfinden. Vermeiden Sie ‚Betthupferl‘ und verzichten Sie prinzipiell auf fettige und den Magen belastende Speisen wie einen übermäßigen Konsum von Fleisch und Wurstwaren, gepökelte und geräucherte Lebensmittel sowie zu viele Süßigkeiten. Während kurz vor dem Schlafengehen keine Sporteinheiten mehr erbracht werden sollten und ab zwei Stunden vor dem Zubettgehen keine Aktivierung mehr sein soll, können über den Tag Bewegung und Gymnastik den Schlaf später am Abend fördern. Achten Sie darauf, sich an ihre körperlichen Grenzen zu halten und sich dabei nicht ‚auszupowern‘. Eine halbe Stunde Laufen, Schwimmen oder Radfahren genügen“, meint der Ernährungsberater vom Bodensee.

„Achten Sie auf eine stets gute Matratze, die eher härter als zu weich sein sollte und spätestens nach mehreren Jahren und bei Durchliegen gewechselt werden muss. Daneben sollte das Kopfkissen der Halsmuskulatur und dem Nacken förderlich sein, gegebenenfalls durch Schlafrollen oder ergonomische Kissen entsprechend gestützt. Decken Sie sich auch im Winter nicht zu warm zu. Probieren Sie aus, ob Sie eher bei leicht geöffnetem oder geschlossenem Fenster besser schlafen. Trennen Sie Ihren Schlafplatz nach Möglichkeit vom Arbeitszimmer ab und richten Sie ihn gemütlich, aber nicht überladen ein. Angenehme Farben an den Wänden, auf dem Fußboden und bei der Bettdecke sind hilfreich. Lüften Sie das Schlafzimmer tagsüber gut durch. Vermeiden Sie in der letzten halben Stunde vor dem Zubettgehen das Arbeiten am Computer oder Fernsehschauen. Gönnen Sie sich eher 30 Minuten zum Ankommen im Bett und gehen Sie auch frühestens dann in Ihr Schlafzimmer. Vermeiden Sie auch Lesen oder Handybedienung in dieser Zeit und setzen Sie eher auf leise Musik oder ein gedämmtes Licht, bei dem Sie sich auf den Schlaf entsprechend vorbereiten. Schaffen Sie untertags mehrere Oasenmomente, zum Beispiel mit einem spirituellen Impuls wie einem Gebet oder dem Anhören eines Liedes. Nutzen Sie auch kurze Bewegungselemente aus dem Yoga oder anderen Programmen für eine Pause. Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training oder Feldenkrais sind ebenso eine wichtige Ergänzung wie Atemübungen oder achtsame Körperwahrnehmung“, formuliert Dennis Riehle.

„Immer wieder kursieren Zahlen, wie lange ein Mensch schlafen sollte. Dabei gibt es hierfür keine Richtwerte. Ihr Körper zeigt Ihnen an, wann Sie müde sind und lässt sie dann aufwachen, wenn er sich genügend regeneriert hat. Acht Stunden ist zwar eine prinzipielle Orientierung, die notwendige Schlafenszeit kann aber zwischen sechs und zehn Stunden variieren und ist vom Biorhythmus abhängig. Ebenso auch der Moment zum Schlafengehen oder Aufstehen. Jeder Mensch findet hier sein perfektes Maß. Sollten Sie unter Schlafstörungen leiden, machen Sie sich keine Vorwürfe deswegen. Gehen Sie behutsam mit sich um und erkennen Sie Schlafstörung als ein Problem von vielen Menschen, die daran nicht schuld sind. Befreien Sie sich von der Auffassung, Sie ‚müssen‘ schlafen. Gehen Sie lösungs-, nicht defizitorientiert vor und suchen Sie sich bei länger als zwei bis drei Wochen durchgehender Ein- und Durchschlafstörung den Hausarzt auf. Entlasten Sie sich mit dem Vorsatz, dass Sie schlafen ‚dürfen‘. Schlaf ist eine sehr wechselhafte Angelegenheit. Es ist also völlig normal, nicht jede Nacht gleich gut zu schlafen. Formulieren Sie nicht die Erwartungshaltung an sich, dass Sie stets die gleiche Schlaflänge oder Schlafintensität benötigen, um am Tag wieder völlig fit zu sein.  Ehe Sie auf chemische Medikamente bei anhaltender Schlaflosigkeit zurückgreifen, sollten Sie pflanzliche Wirkstoffe und Arzneimittel der Phytotherapie bevorzugen. Hierzu gehören beispielsweise Hopfen, Lavendel, Baldrian und Melisse als Kapsel oder in Form von Tees. Auch Produkte mit gering dosiertem Schlafhormon Melatonin sind mittlerweile frei erhältlich und können helfen. Sollten diese Möglichkeiten nicht  entsprechenden Erfolg erzielen, kann der Einsatz schlafanstoßender Antidepressiva diskutiert und vom Arzt verschrieben werden. Diese bergen kein Abhängigkeitsrisiko und können auch perspektivisch eingenommen werden. Vermuten Sie eine seelische Ursache der Schlafstörung, können Verhaltens- oder tiefenpsychologische Therapie gute Erfolge erzielen“, erläutert der Selbsthilfegruppenleiter abschließend.




Ressort: Konstanz

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