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  • 04. Juli 2016

Umweltsünder mit dem Segen der Behörden

Von Dr. med. Peter Kälin | AefU

Die gesammelten Plastikabfälle aus privaten Haushalten enden zum Teil in Schweizer Zementöfen. Sie aber verschmutzen die Luft viel stärker als Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA). Die Schweizer Zementfabriken sind auch im Vergleich zu ihrer Deutschen Konkurrenz eigentliche Dreckschleudern. Dies mit Bewilligung des Bundes, wie die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU) aufzeigen. Sie fordern die Bundesbehörden auf, endlich den Stand der Technik durchzusetzen bzw. schärfere Grenzwerte auch für die Schweizer Zementwerke zu erlassen.

Schweizer Haushalte trennen ihren Plastikabfall zunehmend vom Kehricht. Der Kunststoffmüll gelangt deshalb nicht mehr in Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA). Aber: Nur rund die Hälfte des separat gesammelten Plastiks lässt sich wiederverwerten. Den Rest verbrennen meist die Zementwerke. Das aber verschmutzt die Luft viel stärker. Denn: Eine KVA darf maximal 50 Milligramm Schwefeldioxid (SO2) und 80 mg Stickoxide (NOx) pro Kubikmeter Abluft ausstossen. Bei den sechs Schweizer Zementwerke von LafargeHolcim, Vigier und Juracement hingegen sind je 500 mg/m3 zulässig, also das Sechsfache an NOx und zehn Mal mehr SO2. Ebenso bei den gasförmigen, organischen Substanzen: Bei der KVA sind 20 mg/m3 erlaubt, beim Zementwerk 80 mg/m3. Ausserdem darf es sechs Mal mehr Ammoniak und doppelt so viel Staub in die Atmosphäre pusten als eine KVA.

Den massiven Unterschied bei den Grenzwerten begründet das Bundesamt für Umwelt (BAFU) technisch: Die KVAs seien für die NOX-Reduktion in der Regel mit SCR-Systemen ausgerüstet. Diese reduzierten die Emissionen viel stärker als die heute bei den Zementwerken eingesetzte Technik. Der Haken: Das BAFU betrachte SCR-Systeme «zur Zeit bei Zementwerken noch nicht als Stand der Technik».

In Deutschland längst Stand der Technik

Das erstaunt. Denn was die Schweizer Behörden als Zukunftsmusik für die hiesigen Zementöfen abtun, ist in Deutschland längst Stand der Technik: Das Deutsche Umweltbundesamt (UBA) bestätigt auf Anfrage der AefU, dass schon heute «in Zementwerken die SCR-Technologie als Stand der Ablufttechnik anzusehen ist». Das widerspiegle sich auch in den Emissionsanforderungen für deutsche Zementwerke: Seit 2013 liegt der Emissionsgrenzwert für NOX bei 200 mg/m³, wobei für Altanlagen eine Übergangsfrist bis 1.1.2019 gilt. «Danach müssen alle Zementwerke grundsätzlich den allgemeinen Emissionsgrenzwert von 200 mg/m³ einhalten», so das UBA. Mit der SCR-Technik seien in der Regel auch deutlich niedrigere Ammoniak-Emissionen sowie eine relevante Reduktion des Ausstosses von organischen Verbindungen wie Benzol nachgewiesen worden.

Dreckschleudern Schweizer Zementwerke

Schweizer Zementwerke aber sollen auch in Zukunft amtlich bewilligte Dreckschleudern bleiben. Auch nach den Jahr 2020 sollen alle sechs Schweizer Zementwerke im Schnitt 400 mg NOX/m3 ausstossen dürfen. Das ist doppelt so viel wie in Deutschland.

Die Schweizer Zementwerke haben sich in den letzten Jahren immer mehr zu eigentlichen Entsorgungsanlagen gewandelt: Trotz in der Regel schlechteren Abluftreinigungsanlagen als in KVAs oder Sondermüllöfen verbrennen die Zementwerke z. B. Altöl, Pneus, verschmutztes Aushubmaterial und Lösungsmittel. Der Anteil des Plastiks, den sie verfeuern, hat sich in den letzten zehn Jahren in etwa verdoppelt.

Die nachsichtigen Schweizer Abgasgrenzwerte dürften auch mit ein Grund sein, dass Zementwerke etwa Kunststoffabfälle deutlich günstiger annehmen können: Bei den KVAs kostet das Verbrennen einer Tonne Sammel-Plastik aus Haushalten durchschnittlich 150 Franken. Die Zementwerke aber sollen dem Vernehmen nach 80 bis 100 Franken verlangen.

Die AefU fordern die Bundesbehörden auf, die Abluft-Grenzwerte für Zementwerke sofort dem Stand der Technik anzupassen und somit schärfere Grenzwerte auch für die Schweizer Zementwerke zu erlassen.

Hintergründe zur Verbrennung von Kunststoffen aus Haushaltssammlungen und zur Abluftsituation bei den Zementwerken finden Sie auf www.aefu.ch im neuen OEKOSKOP 2/16 (Auszug), der Fachzeitschrift der AefU,


Ressort: Energie und Umwelt

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