
- 12. August 2025
Emotionale Bildung in der Kita: Kein pädagogischer Trend, sondern Zukunftskompetenz
Wie ein Hamburger Träger Achtsamkeit und Mental Health zum Bildungsstandard macht – und warum Kinder davon ihr Leben lang profitieren.
„Es ist das größte Geschenk, das wir Kindern machen können – sie auf dem Weg zu begleiten, sich und ihre Emotionen kennenzulernen und ihnen Werkzeuge mitzugeben, um auch sich in schwierigen Zeiten immer wieder mit sich selbst verbinden zu können. Somit gehen sie mit innerer Stärke, positivem Mindset und Handlungsfähigkeit raus in die Welt“, sagt Hannah Franz, Vorschullehrerin, Achtsamkeitstrainerin und Kinderyogalehrerin in der Kita kinderzimmer Rübenkamp in Hamburg.
Achtsamkeit ist hier keine Modeerscheinung, sondern eine Schlüsselkompetenz für die Zukunft. In einer Welt voller Reizüberflutung, digitaler Dauerpräsenz und wachsendem Leistungsdruck brauchen Kinder die Fähigkeit zur Selbstregulation, dem Benennen und Verstehen eigener Gefühle und dem bewussten Umgang mit sich selbst und anderen. Der private Kitaträger KMK kinderzimmer geht hier mutig voran und macht emotionale Bildung zum Teil seines pädagogischen Konzepts – nicht nur für Kinder. Auch Fachkräfte lernen, ausgeglichener durch einen fordernden Berufsalltag zu navigieren.
Mentale Stärke ist Bildungsauftrag
„Ich wünsche mir, dass Achtsamkeit nicht länger nur ein Nischenthema bleibt oder ein nettes Extra, das man machen kann – oder auch nicht“, sagt Cristina Baal, pädagogische Leiterin bei KMK kinderzimmer. „Achtsamkeit sollte vielmehr als grundlegende Kompetenz für die Entwicklung von Kindern verstanden werden – genauso wichtig wie sprachliche oder kognitive Förderung.“ Tatsächlich beschränkt sich das Thema in der Kita-Landschaft bislang überwiegend auf den Morgenkreis. An den rund 40 Standorten von KMK kinderzimmer soll sich das ändern. Die Vision: Emotionale Bildung als roter Faden, der sich durch den gesamten Kita-Alltag und alle Altersgruppen zieht.
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Emotionale Bildung beginnt bei den Pädagog:innen
In der pädagogischen Arbeit des Trägers kinderzimmer KMK spielt Achtsamkeit inzwischen eine immer größere Rolle – nicht zuletzt dank engagierter Fachkräfte wie Hannah Franz, die das Thema nicht nur in ihre Vorschulgruppe integriert, sondern auch in Workshops an Kolleg:innen weitergibt. „Was wir über die letzten Jahre erkannt haben, ist: Bevor wir Achtsamkeit mit den Kindern leben können, müssen wir selbst anfangen, achtsam mit uns umzugehen. Das ist die Basis für alles Weitere“, erklärt Christina Baal. In dem hauseigenen Fort- und Weiterbildungscampus „kiziCademy" ist daher geplant, künftig verstärkt Workshops zur Achtsamkeit in den Arbeitsalltag von Pädagog:innen zu integrieren. Hannah Franz ergänzt: „Gerade, weil unser Beruf so fordernd ist, brauchen wir Werkzeuge, um bei uns selbst zu bleiben – auch in stressigen Momenten. Achtsamkeit bedeutet für mich, immer wieder bewusst in Kontakt mit mir selbst zu treten, um dann auch feinfühlig mit den Kindern umgehen zu können.“
Achtsamkeit zu Hause: Kleine Rituale mit großer Wirkung
Auch Eltern können Achtsamkeit spielerisch in den Alltag integrieren. Hannah Franz hat einen einfachen Tipp: „Ich finde es schön, abends über die Momente oder Gefühle des Tages zu sprechen – das kann ein Ritual werden. Ein gemeinsames Gefühlstagebuch oder Gefühlsbarometer kann helfen, den Tag bewusst abzuschließen.“ Außerdem empfiehlt sie kleine Übungen, die Kindern Sicherheit und Selbstwirksamkeit vermitteln: „Bei mir sind Affirmationen sehr beliebt – kleine Sprüche wie ‚Ich schaffe das‘ oder ‚Ich darf Fehler machen‘, die wir gemeinsam wiederholen. Das geht super beim Zähneputzen vorm Spiegel.“ Die Grundlage dabei: Verbindung. „Gerade in starken Gefühlen wie Wut oder Trauer ist es wichtig, die Verbindung zum Kind nicht zu verlieren. Ich sage mir dann selbst: Wenn das Kind schon die Verbindung zu sich selbst verloren hat, soll es nicht auch noch die Verbindung zu mir verlieren“. Achtsamkeit bedeutet auch, präsent zu bleiben – ohne Bewertung, aber mit Klarheit.
Christina Baal fasst zusammen: „Ich würde Eltern mitgeben: Schafft kleine, spielerische Routinen – ohne Druck. Achtsamkeit sollte Freude machen, keine Pflichtübung sein.“
Mini-Ratgeber: Achtsamkeit im Familienalltag
Für Eltern, die Achtsamkeit zu Hause etablieren wollen, hier ein paar einfache Impulse:
1. Gefühlsbarometer: Am Abend den Tag gemeinsam reflektieren: Was war schön? Was hat traurig oder wütend gemacht? Ein kleines Gefühlstagebuch oder eine Emotionsskala (z. B. mit Farben oder Wetter-Symbolen) kann helfen.
2. Atemball oder Glitzerflasche: Ein Atemball (auch Hoberman-Sphäre genannt) hilft, den Atem bewusst zu lenken. Glitzerflaschen visualisieren, wie sich das Gedankenkarussell beruhigen kann.
3. Affirmationen: Kraftsätze wie „Ich bin stark“, „Ich darf Fehler machen“ oder „Heute wird ein guter Tag“ regelmäßig wiederholen – am besten mit Bewegung vor dem Spiegel.
4. Kleine Meditationen: Kurze, kindgerechte Fantasiereisen oder Körperreisen (z. B. der „Reise der kleinen Schildkröte“) helfen beim Entspannen und Ankommen.
5. Präsenz statt Perfektion: Der wichtigste Tipp: Achtsamkeit ist kein zusätzlicher Programmpunkt. Schon wenige Minuten echter Verbindung – ohne Handy, mit offenem Ohr und Blick – machen einen Unterschied.
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