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Mit einem Jahr Zusatzrente ist Ehrenamtlichen nicht geholfen!
Werkzeug ©Gerald Kaufmann
  • 12. August 2022

Mit einem Jahr Zusatzrente ist Ehrenamtlichen nicht geholfen!

Von Dennis Riehle | Konstanz

— Leserkommentar

Aus der „Ampel“-Koalition ist aktuell der Vorschlag aufgekommen, langjährig tätige Ehrenamtliche mit einem früheren Renteneintrittsalter um ein Jahr zu belohnen. Union und Linke haben die Anregungen bereits zurückgewiesen. Und auch aus der Engagement-Szene gibt es unterschiedliche Reaktionen auf diese Art der Würdigung, zumal der Gedanke in sich unausgegoren ist. So soll er vor allem Aktive im Rettungsdienst und bei der Feuerwehr umfassen, die dort unentgeltlichen Dienst leisten. Doch fragt man sich gleich: Was ist mit all den anderen Millionen, die in Kirchen, Sozialeinrichtungen, Vereinen, Kultur, Selbsthilfe, Politik oder eigeninitiativ wirken? Wann ist jemand „lang genug“ ehrenamtlich im Einsatz gewesen, um in den Genuss einer vorzeitigen Pension zu kommen? Und wollen die Engagierten das überhaupt?

Der Vorstoß setzt falsche Anreize: Ehrenamtliche benötigen keine Lockangebote, um sich in die Gesellschaft einzubringen. Wer sich am Ende nur aufgrund der etwaigen Perspektive auf ein früheres Ausscheiden aus dem Job für eine gemeinnützige Arbeit entscheidet, bringt eine unglaubwürdige Motivation in sein Ehrenamt mit sich. Stattdessen soll das Engagement uneigennützig sein. Zwar mangelt es immer öfter an verlässlichen und sich über einen planbaren Zeitraum einbringenden Freiwilligen. Doch dem Namen nach soll ein derartiges Tun allein der „Ehre“ wegen vollbracht werden, nicht aber im Blick auf mögliche Besserstellungen. Denn aus meiner eigenen, mittlerweile 24 Jahre andauernden Arbeit als Ehrenamtlicher in unterschiedlichen Funktionen weiß ich: Bürgerschaftlich Engagierte sind in aller Regel sehr bescheiden.

Wer dagegen aber mit dem Angebot der vorzeitigen Berentung für ein Einbringen in die Zivilgemeinschaft überzeugt werden muss, handelt eben gerade nicht selbstlos. Ehrenamt bedeutet Idealismus und nicht Berechnung. Schon die Monetarisierung des Bürgerengagements ist mit Zweifeln zu genießen. Aufwandsentschädigungen sind zweifelsohne eine angebrachte und notwendige Maßnahme, um Ehrenamtliche nicht auch noch finanzielle Beiträge für ihre Arbeit aus eigener Tasche zahlen zu lassen. Wer jedoch erreichen will, dass freiwilliger Einsatz für das Gemeinwohl wieder attraktiver wird, sollte nicht mit materiellen Vorteilen werben, sondern damit beginnen, die Bedingungen für ein ehrenamtliches Wirken zu verbessern. Dazu gehören eine einfache Vereinbarkeit mit dem Beruf und die großzügige Absetzbarkeit von Kosten, die im Rahmen des Engagements anfallen. Auch die dynamische Anpassung der steuerbefreiten Pauschalen und die bürokratische Entlastung von Vereinen sind wichtig.

Wer jetzt den Versuch unternimmt, ehrenamtliches Tun mit einem Jahr Zusatzrente zu vergelten, agiert nach meinem Dafürhalten nicht mit dem Aspekt Dankbarkeit. Viel eher scheint dahinter das Ansinnen zu stecken, neue Engagierte zu gewinnen, um unbesetzte Hauptamts-Stellen auszugleichen, die durch den Bedarf an vielerlei Fachkräften entstehen werden. Aber Ehrenamt ist gerade kein Lückenfüller für hoheitliche Verantwortung. Bürgerschaftlich Engagierte sollen bezahlte Arbeitskräfte ergänzen und mit ihnen im Team zusammenarbeiten, sie aber nicht ersetzen. Seit vielen Jahren zieht sich der Sozialstaat aus grundgesetzlich ihm übertragenen und verfassungsrechtlich der öffentlichen Hand zugeschriebenen Tätigkeiten zurück, um Kosten zu sparen. Immer öfter übernehmen Freiwillige Aufgabenprofile eines Vollzeitbeschäftigten und werden damit nicht selten überfordert. Burnout im Ehrenamt ist keine Seltenheit mehr – und das Ausgebranntsein ist kaum überraschend.

Denn Menschen, die sich ohne Entlohnung für Andere einsetzen, tun dies meistens in einer großen Aufopferung und Selbstaufgabe. Sie sind häufig nicht in der Lage, eigene Grenzen einzuhalten und wollen Weltverbesserer im Kleinen sein. Statt dem Trend entgegenzuwirken, haben nun Teile der Politik offenbar nichts Anderes vor, als diese Entwicklung noch zu beschleunigen. Dabei hat sie einen Protektionsauftrag für alle, die ehrenamtlich tätig sind. Ein früherer Ruhestand ist kein gutes Mittel, entsprechende Kompensation zu betreiben. Viel eher bedarf es klarer Arbeitsschutzregeln und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Gefahrenabwehr auch für ehrenamtlich tätige Menschen, die einen Anspruch auf einen sorgsamen Umgang mit ihren Ressourcen haben. Die zuletzt immer seltener gewordene und oft nur auf in Organisationen und Institutionen engagierte Freiwillige beschränkte Anerkennungskultur und ideelle wie symbolische Wertschätzung müssen wieder gestärkt werden.

Ehrenamtliche leben von der Sinnhaftigkeit ihres Tuns – und vom Respekt und der Würdigung. Daher ist zu überlegen, die Verleihung von Bundesverdienstkreuzen oder Landesehrennadeln niederschwelliger zu gestalten und darüber hinaus weitere Ebenen der offiziellen Auszeichnung einzuführen. Zwar sind schon manch Landräte oder Bürgermeister dabei sehr erfinderisch. Doch eine strukturierte, vergleichbare und für alle Ehrenamtlichen zugängliche Dokumentation über ihre geleisteten Erfolge ist noch immer nicht umgesetzt worden. Manchmal reichen ein Anstecker, eine Münze oder eine Urkunde aus, um dieses Lob auszudrücken. Nicht wenigen Gemeinden und Kommunen sind Zeremonien der Verleihung aber zu aufwendig und kostspielig. Würde man das Geld, welches die Regierung für ein Jahr mehr Rentenzeit ausgäbe, den zuständigen Stellen aushändigen, um ab und an Ehrenamtliche hochleben zu lassen, wäre dies aus meiner festen Überzeugung am Ende deutlich besser angelegt.


Ressort: Konstanz

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