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Die Schule als Kampfzone
Susanne Giebeler lebt seit 1980 in Bochum und unterrichtet an einem Weiterbildungskolleg. Ihr Theaterstück „Die Stalingrad-Madonna“ erschien im Litag Theaterverlag.
  • 30. März 2017

Die Schule als Kampfzone

Von Catherine Knauf | Literaturtest

in Susanne Giebelers schonungslosem Roman „Gymnasium“ ringt die akademische Mittelschicht um ihren Status

warum sollte die Schule anders sein als der Rest der Welt? Susanne Giebelers „Gymnasium“ ist eine Kampfzone, der ein klarer Frontenverlauf abhandengekommen ist. Der vierzehnjährige Alex ist mit seinen Eltern gerade umgezogen und kämpft am noblen Goethe-Gymnasium um seine Identität. Rigide Leistungsanforderungen, mobbende Mitschüler sowie seine alkoholkranke Mutter und sein leistungsfixierter Vater, die ihre Eheprobleme mehr und mehr auf die Schulprobleme des Sohnes gründen, drohen ihn zu ersticken. Schonungslos und genau beobachtend erzählt Susanne Giebeler von einer Welt, die einen radikalen Neuanfang fordert.

Am Gymnasium ringt die akademische Mittelschicht um ihren Status. In Giebelers Buch erinnert höchstens Bohnerwachsgeruch an die nostalgisch-verklärte Welt der „Feuerzangenbowle“ oder an „Das fliegende Klassenzimmer“. Unter der wilhelminisch-prächtigen Fassade eines heutigen Gymnasiums wird getäuscht, gemobbt, verraten und verkauft – nicht anders als in Familie und Gesellschaft um das Gymnasium herum. Eltern, Lehrer und Schüler befinden sich in einem existenziellen Albtraum, in dem es nicht um Bildung oder gar Herzensbildung geht, sondern um Macht und Ohnmacht.

Als Leser ahnt man bald das aufziehende Unglück, als Alex, tatsächlich bald von seinen neuen Mitschülern Ali getauft, sich nach dem Umzug in die neue Stadt zwischen drei Gymnasien entscheiden muss und nicht lang überlegt. „Die Schule, vor der imposant und schon von Weitem sichtbar ein riesiger steinerner Löwe Stärke strotzend sein Maul aufriss – diese Schule musste es sein.“ Der Krieg um die richtigen Zensuren, die über Fortkommen oder Bleiben entscheiden, entzweit Alex´ Eltern und bringt nicht nur Alex, sondern auch eine engagierte Lehrerin auf der Schultoilette zum Weinen.
Giebeler rechnet schonungslos mit einem System ab, in dem Chancengleichheit und echte Bildung nur auf dem Papier stehen und die Lehrer mehr Richter als Pädagogen sein müssen. Dabei räumt sie im Interview ein, dass nicht alle Gymnasien so sind, legt aber den Finger in eine schwärende Wunde: „Wenn es nicht gelingt, die Chancenungleichheit in der Bildung abzulegen, wird sich die Spaltung der Gesellschaft verschärfen.“

Doch wie geht es weiter mit Alex? Er muss sich nach der sich langsam und immer sicherer anbahnenden Katastrophe neu erfinden. Der Weg dorthin schmerzt. Denn Giebeler ist ein Schülerroman gelungen, der anrührt – auch indem er historische Kontinuitäten und vermeintliche Selbstverständlichkeiten des modernen Lebens ausleuchtet und dabei noch eine wichtige Frage stellt: Wie wollen wir eigentlich leben?

Susanne Giebeler
Gymnasium
2017, Hardcover, 291 Seiten

tredition | ISBN: 9783734582165 | € 22,99 [D]


Ressort: Bildung und Kultur

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