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  • 23. August 2014

„Aufruf zur Abtreibung von behinderten Kindern ist inakzeptabel“

Von Dennis Riehle - Humanistische Alternative Bodensee (HABO)

Die Humanistische Alternative Bodensee (HABO) hat empört auf den Aufruf des Atheisten Richard Dawkins reagiert, der sich in einer Diskussion im Nachrichtendienst „Twitter“ dafür ausgesprochen hat, ungeborene Kinder mit „Trisomie 21“ („Down-Syndrom“) abzutreiben. Nach Ansicht des Professors könnten von diesen Kindern „keine gesteigerten Fähigkeiten“ erwartet werden. „Treiben Sie ab und machen Sie einen neuen Versuch. Es wäre unmoralisch, es zur Welt zu bringen, wenn Sie die Wahl haben“, wird Dawkins zitiert.

Der Sprecher der HABO, Dennis Riehle, kritisiert diese Aussage massiv: „Bei viel Verständnis für so manch kluge Forderung und weise Position des Richard Dawkins, diese Ausführungen sind für mich inakzeptabel – und diese Definition von ‚Moral‘ oder ‚Ethik‘ kann und darf kein Konsens werden“, appelliert Riehle auch an andere säkulare Kreise. „Derartige Meinungen entsprechen nicht dem humanistischen Weltbild, das ich als zweifelnder oder gar atheistischer Mensch vertrete. Und ich bin überzeugt, dass ich damit auch unter Kollegen nicht alleine bin“. Der Evolutionsbiologe Dawkins sieht in seiner „Forderung“, wie er sie bezeichnet, keine Ausnahme, sondern „die Norm“. Immerhin würden bereits die meisten Föten in Europa und Amerika abgetrieben, wenn ein „Down-Syndrom‘ festgestellt werde.

Dawkins beharrt in diesem Zusammenhang darauf, dass er mit seiner Wortwahl den „Fötus“ anspreche. Er wende sich hingegen ab von einem Standpunkt, wonach „ein Mensch“ mit diesem Syndrom „vor Jahren hätte abgetrieben werden sollen“. Dawkins erinnerte auch an die Möglichkeit, mit diversen Tests heutzutage bereits in der frühen Schwangerschaft das Vorliegen der Behinderung „Trisomie 21“ feststellen zu können. Zuletzt hatte in Deutschland die Konstanzer Firma „LifeCodexx“ für Aufsehen gesorgt, deren neuartiges Untersuchungsverfahren genau dieses „Down-Syndrom“ pränatal erkennen kann.

Für Riehle spielt die Frage nach der Formulierung keine Rolle: „Ich verstehe, dass Dawkins den Fötus noch nicht als lebensfähiges Individuum anerkennen will. Mit seiner Forderung urteilt er aber in besonderer Weise über die Position der Behinderung. Sie ist für ihn offenkundig ausreichend, um über Wertigkeit von Leben zu urteilen. Und natürlich kommt er dabei dann auch nicht umhin, die Folgerung zuzulassen, wonach für ihn Menschen mit ‚Down-Syndrom‘ nicht ‚gesteigert fähig‘ sind. Mit Humanismus hat solch eine Ansicht für mich überhaupt nichts zu tun“.

Der HABO-Sprecher, der selbst an einer genetisch bedingten Erkrankung leidet, schreibt weiter: „Selbst wenn Dawkins das nicht hören möchte, aber aus seiner Haltung wird für mich unweigerlich klar, dass er behinderte Menschen nicht als lebenswert anerkennt. Denn selbstverständlich ist es keine hypothetische Frage, was mit denjenigen Behinderten wäre, die heute auf der Welt sind, wenn man schon vor Jahrzehnten das ‚Down-Syndrom‘ oder Anderes hätte vorgeburtlich diagnostizieren können – und die Eltern auf Aussagen wie die von Dawkins eingegangen wären. Es ist eine Frage, die heute wohl gleich beantwortet würde, wie damals auch – und sie führt letztlich zur Selektion“.

Der Evolutionsbiologe könne nach Riehles Einschätzung nicht erwarten, dass Eltern oder ihre behinderten Kinder die komplexe philosophische Abstraktion verstehen könnten, die der Professor mit seinen feinsinnigen Differenzierungen in der Formulierung bezwecke. „Dawkins darf selbstredend seine Überzeugung kundtun. Es ist für mich aber unverantwortlich, Eltern derart ins Gewissen zu reden. Für sie muss es ein Schlag ins Gesicht sein, das Absprechen von jeglicher Würde“. Nach Einschätzung des HABO-Sprechers ist das schon länger bekannte, aber selten so deutlich wie jetzt zutage getretene Verständnis der Evolution nach Dawkins in sich nur schwer nachvollziehbar: „Bedeutet Evolution für den Forscher, dass er in die Machenschaften der Natur – wenn es schon kein Gott ist, der erschafft und lenkt – nach Belieben eingreifen kann? Und sind Behinderungen damit lediglich ein ‚Unfall‘, dessen Folgen der Mensch mittlerweile zu verhindern imstande ist?“.

„Mit seinen Einlassungen bedient Dawkins in wunderbarer Weise Vorurteile, mit denen Lebensrechtler die Ideologie verschiedener Atheisten, die in den letzten Jahren auf sich aufmerksam gemacht haben, verurteilen. Ich weiß nicht, ob er seiner eigenen Klientel damit einen Gefallen getan hat. Denn das Leben allein im Hinblick auf ‚gesteigerte Fähigkeiten‘ zu bewerten, mag evolutionsbiologisch richtig sein. Letztendlich führt eine solche Argumentation aber direkt zur gefürchteten Perfektion des Menschen, die zumindest ist nicht will“, erklärt Riehle. „Denn während viele der Ideen Dawkins‘ mittlerweile mehrheitsfähig sind, dürfte es solch eine Forderung hoffentlich nie werden“, so der HABO-Sprecher abschließend.


Ressort: Glaube und Gesellschaft

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