- 22. November 2023
Sauberes Wasser mit nachwachsenden Rohstoffen
Bodensee-Stiftung erhält Innovationspreis Bioökonomie 2023
Im Verbundprojekt „CoAct“ zeigt die Bodensee-Stiftung Möglichkeiten auf, wie Kläranlagen auf Aktivkohle aus fossilen Rohstoffen verzichten können – Produktion aus Restbiostoffen leistet Beitrag zu Klimaschutz, nachhaltigem Gewässerschutz, zur regionalen Wertschöpfung und Unabhängigkeit von Importen
Minister Peter Hauk MdL hat die Bodensee-Stiftung mit ihrem Verbundprojekt „CoAct“ im Rahmen des baden-württembergischen Bioökonomietages im Schloss Hohenheim mit dem Innovationspreis Bioökonomie 2023 ausgezeichnet. Die Bodensee-Stiftung hat in einem Verbundvorhaben in den zurückliegenden fünf Jahren am Beispiel des Landkreises Bodenseekreis erarbeitet, wie Pflanzen-Aktivkohle aus Restbiomassen regionaler Herkunft in Kläranlagen eingesetzt werden kann, um damit herkömmliche fossile Aktivkohle zu ersetzen. „Die Bioökonomie stellt Lösungsansätze für die globalen und lokalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bereit. Wir wollen fossile Kohlenstoffe durch regenerative Energien ersetzen. Die Bioökonomie stellt dabei einen sehr wichtigen Baustein für zusätzliche Wertschöpfungspotentiale, insbesondere im und für den ländlichen Raum, dar“, sagte der Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) anlässlich des 7. Bioökonomietages.
Mit dem CoAct-Verfahren haben die Projektpartner ein zukunftsweisendes Konzept dafür entwickelt, wie die Nutzung fossiler Stoffe sowie die Abhängigkeit von Importen reduziert und im Gegenzug die regionale Wertschöpfung gefördert werden kann. „Ein bedeutendes Ziel der Bodensee-Stiftung ist der Klimaschutz und der schonende Einsatz von wertvollen Ressourcen. Mit dem CoAct-Verfahren zeigen wir auf, wie erneuerbare biologische Ressourcen aus der Region, die bisher nicht oder in wenig wertgebender Weise verarbeitet worden sind, für die nachhaltige Abwasserreinigung in der Region aufbereitet werden können“, sagt Volker Kromrey, Geschäftsführer der Bodensee-Stiftung, der den Preis mit Programmleiter Andreas Ziermann von der Bodensee-Stiftung entgegennahm. Dieser ergänzt: „Das Projekt für sauberes Wasser mit nachwachsenden Rohstoffen am Bodensee durchzuführen, Europas größtem Trinkwasserspeicher, hat eine besondere Bedeutung für uns.“
Auf andere Regionen übertragbar
Im Laufe der CoAct-Forschungen wurde eine Liste mit Reststoffen erstellt, deren Eignung als potenzielle Substrate für die Aktivkohleproduktion untersucht wurde. Diese wurde vor allem mit Blick auf die Projektregion Bodenseekreis zusammengestellt, berücksichtigt aber auch weitere Biomassen, die für eine Übertragbarkeit der Projektergebnisse auf andere Regionen von Bedeutung sind. Nach Betrachtung von über 30 Biomassen, von denen einige als ungeeignet ausgeschlossen wurden, standen sieben Biomassen im Fokus: Grüngut aus Landschaftspflegemaßnahme, Hopfenhäcksel, Weintrester, Straßenbegleitgrün, Pflegeschnitt Hochstammbäume, Maisstroh und Hecken- und Strauchschnitt.
In einer Verarbeitung nach dem IFBB-Verfahren (Integrierte Festbrennstoff- und Biogasproduktion aus Biomasse) werden die Biomassen in eine feste (Presskuchen) und flüssige Fraktion (Presssaft) aufgeteilt. Die flüssigen Bestandteile können in einer Biogasanlage energetisch verwertet werden. Die feste Fraktion kann zu Aktivkohle weiterverarbeitet werden.
Praxisversuch in der Kläranlage Kressbronn a. B.-Langenargen
Nach erfolgreichen Laborversuchen soll nun in einem Praxisversuch in der Kläranlage Kressbronn a. B.-Langenargen die Wirkung der biogenen Aktivkohle bestätigt werden. „Die Laborversuche beweisen, dass die Reinigungsleistung der Pflanzen-Aktivkohle der der konventionellen Aktivkohle ebenbürtig ist und sie teils sogar übertrifft“, sagt Dr. Korbinian Kaetzl, Wissenschaftler aus dem Fachbereich Grünlandwissenschaft und Nachwachsende Rohstoffe der Universität Kassel. Erste Messungen weisen darauf hin, dass auch der Praxisversuch gute Ergebnisse liefern wird. Das freut auch Alexander Müller, Betriebsleiter der Kläranlage, der bereits nach einem nachhaltigen Ersatz für die Aktivkohle fossiler Herkunft suchte, als das CoAct-Team an ihn herantrat.
„Auch Kläranlagen sollten in wenigen Jahren CO2-neutral arbeiten. Ein solches Konzept ebnet den Weg dahin“, betonte Matthias Käppeler, Kämmerer der Gemeinde Kressbronn a. B. und Geschäftsführer des Zweckverbands Abwasserreinigung Kressbronn a. B.-Langenargen, jüngst beim Abschlusstreffen der Konsortialpartner auf dem Gelände der Kläranlage. Der Bedarf an Aktivkohle wird in Deutschland und Mitteleuropa stark ansteigen, und somit werden die Erfahrungen von hier von großem Interesse sein. „Der Pilot für die Nutzung biogener Aktivkohle zieht schon jetzt großes Interesse auf sich“, berichtete Yannic Brüning, Sachgebietsleiter Abwasserentsorgung und Gewässerschutz im Landratsamt Bodenseekreis.
Ökobilanz und ökonomische Bewertung
Eine Evaluierung des CoAct-Technikkonzeptes unterstreicht den ökologischen Mehrwert: Gegenüber der Nutzung der konventionellen Aktivkohle ergab sich eine CO2-Einsparung um den Faktor 10. „In Relation zur aktuellen Verwertung der untersuchten Restbiomassen und unter Berücksichtigung, dass Aktivkohle auf Steinkohlebasis durch regionale Pflanzen-Aktivkohle ersetzt wird, kann für alle untersuchten umwelt- und klimarelevanten Parameter eine deutliche Verbesserung nachgewiesen werden“, so Dr. Korbinian Kaetzl.
Die ökonomische Perspektive ist noch nicht so klar positiv. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die CoAct-Anlage „auf der grünen Wiese“ geplant wurde. Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Gesamtanlage und zur Nutzung vorhandener Strukturen sei es sinnvoll, die CoAct-Anlage an eine bestehende Anlage zu koppeln. Dabei eignet sich verfahrenstechnisch die Kombination mit einer Kläranlage oder einer Biogasanlage. „Hier können diverse Synergieeffekte genutzt werden, wie die Verwendung von Prozesswasser, Presssaft oder Biogas an bestehenden Anlagenkomponenten“, betont Andreas Ziermann.
Wie geht es weiter?
Der potentiell entstehende Markt ist groß und wächst: Auch andere Länder haben den Bedarf an Aktivkohle zur Abwasseraufbereitung erkannt. „Aus Expertengesprächen konnten wir ein großes Interesse bei Betreibern von Kläranlagen für nachhaltig erzeugte Aktivkohlen feststellen. Die potentielle Wertschöpfung ist groß. Das Preisniveau war lange stabil auf ca. 1.500 Euro pro Tonne Aktivkohle. Seit dem Krieg in der Ukraine verteuerte sich die Aktivkohle teils um den Faktor 2,5“, berichtet Andreas Ziermann.
„Die Auszeichnung mit dem Innovationspreis Bioökonomie ist eine wichtige Bestätigung. Sie gibt uns weiteren Schwung und spornt uns an, die Umsetzung voranzutreiben“, sagt Volker Kromrey von der Bodensee-Stiftung. Hierfür soll auch das Preisgeld eingesetzt werden. Ziel ist, auch über die Projektlaufzeit Ende 2023 hinaus weiterzuarbeiten, um eine Vorplanung einer für die Biomasseverarbeitung und die Pyrolyse geeigneten Anlage übergeben zu können, die vor Ort an der Kläranlage betrieben werden kann. Derzeit gibt es noch keine Anlage in Deutschland, die im großtechnischen Maßstab Aktivkohle aus pflanzlichen Reststoffen herstellt. Für die Entwicklung und Identifizierung geeigneter Förderprogramme wollen sich die Konsortialpartner mit Universitäten und Unternehmen einsetzen. Daneben werde an der Konzeption der standardisierten Aufbereitung des Grünschnitts gearbeitet.
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