- 09. Dezember 2021
Lonza unterschätzt wohl das Gift in ihrer Deponie
Chemiemülldeponie Gamsenried bei Brig VS
Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass der Pharmakonzern Lonza AG das Schadstoffpotenziale in seiner undichten Chemiemülldeponie Gamsenried unterschätzt. Insbesondere die Menge des gefährlichen Benzidins könnte weitaus grösser sein. Dies zeigt ein Gutachten zu einer von Lonza erstellten Gefährdungsabschätzung, das die AefU, die OGUV, Pro Natura Oberwallis und WWF Oberwallis heute veröffentlicht haben. Die Umweltverbände fordern eine sichere, endgültige Sanierung der Deponie bis in spätestens 15 Jahren.
Benzidin ist hochtoxisch und verursacht Blasenkrebs. Die Substanz läuft aus der Lonza-Deponie Gamsenried bei Brig VS ins Grundwasser. Sie verschmutzt es unterhalb der Deponie grossflächig und belastet es weit über den Grenzwerten.
Bereits in Spuren hochproblematisch
Es ist hauptsächlich das Benzidin, welches die Deponie Gamsenried zum grossen Risiko macht. Dies, obwohl gemäss Gefährdungsabschätzung der Lonza dort «nur» 153 Kilo Benzidin liegen sollen. Bei einem Deponieinhalt von ca. 4.5 Millionen Tonnen entspricht das 0.0000034 Prozent des Materials. Doch Benzidin ist hochtoxisch und bereits in minimalen Spuren relevant.
Ausserdem macht die weitgehend unbekannte Verteilung des Benzidins die Suche in der riesigen Deponie extrem schwierig. Auch sind bisher noch nicht alle Deponiebereiche auf diese Substanz untersucht. Die effektive Menge an Benzidin könnte auch doppelt oder mehrfach so gross sein, wie von Lonza grob geschätzt.
Unterschätzte Schadstoffmengen
Als Grundlage für die Mengenberechnung hat die Lonza bisher im Durchschnitt nur eine Probe pro 7‘550 bis 9‘450 Tonnen Deponieinhalt auf Benzidin analysiert. Gut möglich also, dass sie teilweise an der Verschmutzung vorbei suchte und in dieser grossen Abfallmenge noch weiteres Benzidin vorhanden ist. Ausserdem rechnet Lonza mit Mittelwerten, anstatt die Höchstwerte zu berücksichtigen. Auch das macht eine Unterschätzung des Gefahrenpotenzials in der Deponie möglich. Eine Folge davon kann sein, dass Lonza damit Verschmutzungsnester (Hotspots) übersieht. Oder sie erst während den Sanierungsarbeiten entdeckt, was meist teure Überraschungen sind. Beides gilt es zu verhindern.
Vorsorglich rechnen
Bei den vorliegenden Mengenverhältnissen können selbst engermaschige Untersuchungen die Unsicherheit nicht restlos beseitigen, insbesondere nicht beim Benzidin. Deshalb muss Lonza ein Szenario mit grössern Benzidinmengen («doppelte Benzidinmenge») in ihre gesamte Sanierungsplanung integrieren und die Konsequenzen für die Sanierungsarbeiten sowie das begleitende Monitoring aufzeigen. Nur so lässt sich dieses toxische Risiko handhaben. Gleiches gilt, wenn auch weniger ausgeprägt, für die ebenfalls Krebs auslösende Substanz 4-Aminobiphenyl.
Früher oder später läuft das ganze Gift aus
Früher oder später werden praktisch alle Schadstoffe aus der Deponie Gamsenried austreten. Zurzeit sind sie teilweise in Kalkhydrat- und Gipsschichten gebunden. Diese enthalten auch grosse Mengen Quecksilber. Diese Schichten lösen sich langsam auf, wie die Lonza in ihrer Gefährdungsabschätzung schreibt. Auch in diesem Bereich herrscht weiterhin grosse Unsicherheit, da unklar ist, wohin das Quecksilber bei der Auflösung der Schichten gelangt. Alle diese Schadstoffe werden das Grundwasser früher oder später verschmutzen und zu einer Gefahr für die Trinkwasserfassungen im Rhonetal werden. Deshalb kann auch keine Rede sein von einer stabilen Situation des Quecksilbers im Deponiekörper, wie Lonza in ihrem Bericht schreibt.
Umweltverbände fordern endgültige, sichere Sanierung bis in spätestens 15 Jahren
Kürzlich noch wollte sich Lonza noch über 50 Jahre Zeit lassen bis zur Vollendung einer Sanierung. In der Gefährdungsabschätzung schreiben sie immerhin ‘nur’ noch von «mehreren Jahrzehnten». Aber: Die Altlastenverordnung trat 1998 in Kraft. Seitdem verschleppt die Lonza die Aufräumarbeiten bei Gamsenried, obwohl sie seit 2008 vom problematischen Benzidin in ihrer Deponie weiss.
Jetzt muss die Lonza sauber aufräumen, fordern AefU, OGUV, Pro Natura, und WWF. Der Weltkonzern soll die rechtlich vorgeschriebene Sanierung sicher, endgültig und schnellstmöglich durchführen. Das bedingt eine straffe und transparente Sanierungsplanung, damit die Arbeiten in 10 bis 15 Jahren abgeschlossen sind. Davon profitiert auch die Verursacherin selbst. Denn: «Je länger die Sanierung durch unangemessene Sanierungsmassnahmen, bzw. durch eine fehlerhafte Sanierungsplanung verzögert wird, desto weiter wird sich die Beeinträchtigung der Grundwasserqualität im Talgrund des Wallis ausweiten und desto höhere Kosten werden bei der Sanierung anfallen.» Das haben unsere Experten schon 2020 festgehalten.
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