
- 24. September 2025
«Nie untersucht, welcher Chemiemüll im Boden liegt»
Kurt Schoch war von 1978 bis 2009 beim Kanton Basel-Stadt für Sondermüll zuständig. Schoch sah um 1980 Chemiemüll beim Spielplatz Ackermätteli im Stadtteil Klybeck. Das weiss Regierungsrat Kaspar Sutter (SP) seit 2021. Trotzdem wurde das Gift beim Spielplatz bis heute nie untersucht. Gleichwohl behauptet das Amt für Umwelt und Energie Basel-Stadt (AUE BS) auf seiner Webpage das Gegenteil.
Kurt Schoch war zuerst im Gewässerschutzamt und später im 1999 gegründeten AUE BS für Sonderabfälle zuständig.
Um 1980 kam bei Bauarbeiten beim Kinderspielplatz Ackermätteli im Basler Stadtteil Klybeck Chemiemüll zum Vorschein. Deswegen wurde Kurt Schoch dorthin gerufen und sah «diesen Chemiemüll im Altrheinweg beim Kinderspielplatz», sagt er im Interview mit OEKOSKOP. Er habe «farbige Klumpen und Filtrationsrückstände aus der Farbenproduktion» festgestellt und deshalb das kontaminierte Aushubmaterial entsorgen lassen. Dass seitdem «nie untersucht wurde, welcher Chemiemüll links und rechts des damaligen Grabens im Boden liegt», ist für Schoch unverständlich.
Treffen mit Regierungsrat ohne Wirkung
Darum begleitete Augenzeuge Kurt Schoch im April 2021 die AefU an ein Treffen mit dem Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt Basel-Stadt (WSU). Er berichtete Regierungsrat Kaspar Sutter (SP) von seiner damaligen Behördenarbeit und vom Chemieabfall, den er beim Ackermätteli gesehen hatte. Doch auch nach diesem Treffen wurde das WSU beim Kinderspielplatz nicht aktiv.
Bei einem weiteren Gespräch mit Regierungsrat Sutter im Juli 2024 thematisierten die AefU den Chemiemüll beim Ackermätteli erneut und reichten Sutter im November 2024 einen Bericht nach. Das AUE BS als Teil des WSU liess den AefU-Bericht durch das Ingenieurbüro Sieber, Cassina und Partner (SCP) begutachten. Das Fazit von SCP: Die AefU würden «‹verallgemeinernde› Mutmassungen und mündliche Aussagen» verwenden, «welche nicht nachvollziehbar und plausibel» seien.
«Keine Mutmassungen, sondern Tatsachen»
Dazu meint Kurt Schoch: «Das sind keine Mutmassungen, sondern Tatsachen.» Er habe das mit Chemiemüll durchsetzte Aushubmaterial beim Spielplatz Ackermätteli schliesslich gesehen und es darum entsorgen lassen. Dass das AUE BS auf seiner Webpage heute sogar schreibt, das Ackermätteli sei «gut untersucht», dafür hat Schoch kein Verständnis: «Dazu wären beim Spielplatz und teils in den Strassen rundherum Bohrungen, Baggerschlitze, Boden- und Grundwasseranalysen notwendig. Das wurde bis heute nicht gemacht. Also ist das Ackermätteli nicht gut untersucht.»
Chemiemüll zum Aufschütten des Klybecks
Im 19. Jahrhundert überflutete der Fluss Wiese wiederholt das Klybeck. Um es davor zu schützen, liess die Regierung von 1897 bis 1936 die Strassen des neuen Quartiers auf Dämmen bauen und das Land dazwischen auffüllen. Dazu wurden auch Rückstände der dortigen Chemiefirma Ciba (heute BASF bzw. Novartis) verwendet: Drei Viertel ihres Abfalls würden «zum Auffüllen von Land abgeführt», hielt der Basler Kantonschemiker 1903 fest.
Chemiemüll «in- und ausserhalb der Werkareale»
Die Folgen beschreibt nicht nur Kurt Schoch im Interview mit OEKOSKOP, sondern auch ein Bericht des Ingenieurbüros Colombi Schmutz Dorthe (CSD) von 1990: «Im ganzen Untersuchungsgebiet» Klybeck, «in- und ausserhalb der Werkareale» der Ciba-Geigy AG, treffe «man immer wieder auf chemisch verschmutzte Auffüllungen oder Depots». Sie enthielten eine klebrige, schwarze Grundmasse, aber auch «‹chemisch-metallische› Abfälle» und «Filterrückstände von Farbstoffen». Es sei «nicht bekannt, wo solche alten Abfälle oder Deponien» im Stadtteil Klybeck überall vorkommen.
Massive Grundwasserverschmutzung
«Schwerwiegend», so der CSD-Bericht, sei «die Grundwasserbelastung im Bereich Unterer Rheinweg – Altrheinweg» auf der Höhe des Ciba-Geigy-Areals. Zwar sei das mit Chemiemüll verschmutzte Aushubmaterial ersetzt worden, das dort beim Bau der Abwasserleitung zur neuen Kläranlage 1979 bis 1981 zum Vorschein gekommen sei. «Nicht bekannt» sei aber «die seitliche Ausdehnung» des Chemiemülls in das Areal der Ciba-Geigy. Wo im Klybeck zwischen 1979 und 1981 Chemiemüll angetroffen wurde, zeichnete CSD auf einer Karte ein. Darin ist auch eine Deponie mit Chemiemüll im Altrheinweg beim Spielplatz Ackermätteli aufgeführt. Eben diese stark verschmutzte Stelle hat Kurt Schoch damals persönlich gesehen.
Ungeachtet dessen schreibt das AUE BS auf seiner Webpage: Dass beim Ackermätteli «Chemiemüll deponiert worden wäre, ist nicht dokumentiert». Regierungsrat Kaspar Sutter scheint weder den Augenzeugenbericht des Spezialisten im damaligen AUE BS, noch historische Berichte ernst zu nehmen.
Endlich untersuchen
Die AefU sind äusserst irritiert. Umso mehr, seit die Regierung Ende Augst 2025 bekannt gab, das verschmutzte Ackermätteli in eine neue grosse Parkanlage Richtung Rhein integrieren zu wollen. Die AefU fordern erneut und mit Nachdruck, dass die Regierung zum Schutz der Bevölkerung den Chemiemüll beim Ackermätteli sowie unter weiteren Plätzen und Strassen des Klybeck systematisch untersuchen lässt.
Hintergrundinfos:
Chemiemüll im Basler Klybeckquartier: Basler Regierung ignoriert Augenzeugen und historische Berichte (OEKOSKOP 3/25, Fachzeitschrift der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz [AefU], Auszug)
https://www.aefu.ch/wp-content/uploads/2025/09/Basler_Regierung_ignoriert_Augenzeugen_und_historische_Berichte_Oekoskop_2025_3_Auszug.pdf
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