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Kaputte Menschen helfen niemandem…
Häftling ©Gerald Kaufmann
  • 02. November 2021

Kaputte Menschen helfen niemandem…

Von Dennis Riehle | Konstanz

- Kommentar

Ob es unerträgliche Bilder der Missstände aus französischen Gefängnissen sind, der brutale Drill in Vollzugseinrichtungen der USA oder die aktuell wiederum sichtbar gewordenen Auswirkungen der Inhaftierung von Assange: Wir müssen zur Erkenntnis gelangen, dass der Strafvollzug in seiner bisherigen Form menschenrechtlich im 21. Jahrhundert nicht mehr zu rechtfertigen ist.

Zahlreiche Erfahrungen haben belegt, dass der Resozialisierungsgedanke mit dem Einsperren in Zellen nicht zu erreichen ist. Im Gegenteil: „Schwedische Gardinen“ bringen Gewalt und Zwietracht, Radikalisierung und Ausgrenzung sowie psychische und körperliche Verkümmerung mit sich. In den seltensten Fällen wird das Ziel erlangt, das sich manch ein Justizpolitiker bis heute ausmalt: Geläuterte Verbrecher, die in der Haft auf den rechten Weg zurückgekehrt sind.

efängnisse befördern kriminelle Energie, weil sie Bandenmäßigkeit unterstützen und zu andauerndem Selbstschutz nötigen. Jahrelanges Leben in einem abgeschotteten Raum, in dem sich im Zweifel gegenseitige Reibereien zwischen den Insassen zu einer ungünstigen Solidargemeinschaft entwickeln, läuft jedweder anthropogenen Bestimmung entgegen und erzeugt deshalb zwangsweise eine Verhaltensänderung im negativen Sinn. Andauernde Oktroyierung lassen Menschen emotional verrohen und begünstigen ein weiteres Abrutschen in die Straffälligkeit.

Und auch dem Ansinnen der Reue, Buße oder Sühne wird kein Gefallen getan, weil eine erzwungene Einsicht weder glaubwürdig, noch beständig ist. Das Rufen nach „Auge um Auge“ mag aus Sicht von Opfern verständlich sein, es führt aber keineswegs zu (Rechts-)Frieden. Immerhin kann Vergebung nur dann geschehen, wenn ein Ausgleich zwischen Täter und Geschädigtem gelingt. Mit einem Einkerkern mag ein Straffälliger zwar aus dem Sinn sein; seine Rückführung in die Gesellschaft wird aber mit größter Wahrscheinlichkeit misslingen.

Niemandem ist geholfen, wenn Täter zu kaputten Menschen werden. Deshalb ist es angezeigt, dass sich die Zivilisation mit der Frage beschäftigt, wie Gerechtigkeit aussehen kann – ohne die Haft in ihrem bisherigen Verständnis. Nein, das ist kein Plädoyer für Straflosigkeit, sondern eine andere Form der Ahndung. Konzepte und Vorschläge gibt es reichlich – wie die Auferlegung von sozialer Arbeit bei leichteren Delikten, den Einsatz von Fußfesseln oder den Hausarrest.

Daneben sollte zwingend darauf hingearbeitet werden, die psychologische Unterstützung von Straffälligen auszuweiten, Prävention zu verstärken und den Dialog zwischen Schädigendem und Geschädigtem zu forcieren. Das mögen zwar in vielerlei Hinsicht noch utopische Ideale sein. Wenn wir dem Anspruch an eine humanitäre Bestrafung aber mit Ernsthaftigkeit vorantreiben wollen, dürfen wir nicht auf die Parolen am Stammtisch lauschen, der von der Realität in Gefängnissen keine Ahnung hat. Versöhnung muss die Errungenschaft des modernen Rechtswesens werden.


Ressort: Glaube und Gesellschaft

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