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Das Engagement politisch interessierter Bürger wird mit Füßen getreten!
Demokratie ©Gerald Kaufmann
  • 28. Dezember 2022

Das Engagement politisch interessierter Bürger wird mit Füßen getreten!

Von Dennis Riehle | Konstanz

Kommentar zur Arbeit des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag

Er soll ein Gratmesser für die politische Stimmung sein, delegitimiert sich aber immer öfter selbst. Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages wird wiederkehrend als Anlaufstelle für die Menschen genannt, wenn diese unzufrieden mit der Politik sind, sich über Entscheidungen beschweren möchten, eine Bitte an das Parlament herantragen wollen oder auf ein konkretes Alltagsproblem aufmerksam machen. Auch die Vorsitzende hat bei der Vorstellung des Jahresberichts des Ausschusses auf seine wichtige Bedeutung hingewiesen, obwohl er seit geraumer Zeit nur noch die allernötigste Arbeit erledigt. Während es bis vor ein paar Jahren gängig war, Petitionen mit einer ausführlichen Begründung zu bescheiden, bleibt es heute fast durchgehend bei einer substanzlosen Absage an die jeweilige Eingabe mit dem schlichten Hinweis, dass man keine Notwendigkeit zum Tätigwerden des Parlaments erkennt. Und tatsächlich: Blicke ich auf meine zahlreiche Petitionen der letzten Monate, wurde keine einzige davon befürwortet und zur Behandlung an die Bundesregierung überwiesen. Viel eher wurden die vorgebrachten Anliegen mit einem einzelnen Absatz zurückgewiesen und nicht weiter verfolgt. War der Ausschuss lange ein Instrument, die geltendes Gesetzeslage zu erklären und an Beteiligung interessierten Bürgern mit tatsächlichen Argumenten die Politik des deutschen Parlaments nachvollziehbar und transparent zu machen, ist er zu einem undurchsichtigen Apparat geworden, der sich auf das rechtlich Erforderliche zurückzuzieht.

Zwar stellt das Bundesverfassungsgericht an das im Grundgesetz verbriefte Petitionsrecht nur den Anspruch, dass dem Eingebenden allein die Entscheidung des Parlaments mitgeteilt werden müsse. Die Beweggründe hat der Bundestag nicht zwingend mitzuteilen. Allerdings fragt man sich durchaus: Weshalb wird vom Petenten eine Erklärung für seine Forderung abverlangt, während sich der Empfänger der Eingabe allein auf ein „Ja“ oder „Nein“ zurückziehen darf? Macht es angesichts der extrem niedrigen Quote positiver Voten überhaupt noch Sinn, sich als Bürger die Mühe zu machen, eine Petition zu formulieren und sie ausführlich zu untermauern, wenn bereits im Vorhinein der Ausgang des Verfahren höchstwahrscheinlich feststeht und der Souverän keinen einzigen Mehrwert seiner vorgebrachten Anregung, Reklamation oder Aufforderung erfährt? Unter dem derzeitigen Ausschussvorsitz hat sich die Mühe, Petenten die Rechtslage darzulegen oder die Entscheidungsgrundlagen des Parlaments für eine Ablehnung von Eingaben preiszugeben, auf ein Minimum reduziert. Meist heißt es im Bescheid, dass der Ausschuss Kenntnis vom Ansinnen des Petenten genommen hat und ihm nicht abhelfen konnte. Während sich der Bürger anstrengt, seine Vorbringen möglichst detailliert zu begründen, begnügt sich das Parlament mit bloßen Dreizeilern, die niemanden zufriedenstellen können und schlichtweg eine Missachtung des Volkes bedeuten.

Gab man dem Petenten einst noch die Stellungnahmen der Fachministerien zur Eingabe mit auf den Weg, bescheidet der Bundestag sie mittlerweile oft auf Basis bloßer Einsicht, dass das vorgetragene Thema des Eingebenden nicht mit dem Koalitionsvertrag in Einklang zu bringen ist und daher zurückgewiesen werden muss. Wie soll der Petitionsausschuss so ein Korrektiv für die Regierungspolitik bleiben? Als direktdemokratisches Werkzeug zur Partizipation kann er nur dann funktionieren, wenn er die Bitten der Bürger unabhängig und ohne Rücksichtnahme auf Parteifarben prüft. Ihm ist es anheimgestellt, innovative Ideen der Menschen ernsthaft aufzugreifen und sie nicht allein deshalb abzuschmettern, weil sie nicht dem Fahrplan der „Ampel“ entsprechen. Wie sollen Missstände des staatlichen Agierens abgestellt werden, wenn darauf hinweisende Petitionen von derjenigen Mehrheit abgekanzelt werden, die für die derzeitige Politik verantwortlich ist? Nein, der Ausschuss ist schon lange kein ernstzunehmender Partner der Bevölkerung mehr. Er krepiert zum desinteressierten und vom Volk abgehobenen Zusammenschluss von den Ist-Zustand verteidigenden Abgeordneten, die nach außen zumindest den Eindruck hinterlassen, als sehe man das Petitionswesen als unnötigen Klotz am Bein. Reformvorschläge sind gescheitert, den Ausschuss glaubwürdiger zu machen. Indem man ihm die Freiheit gegeben hätte, nicht allein den Koalitionsfrieden bewahren und alle anderslautenden Meinungen der Bürger postwendend zurückweisen zu müssen, wäre ein wirklicher Fortschritt möglich gewesen.

Denn viele der Anregungen der Menschen sind pragmatisch, sinnvoll und praxisnah. Und sie würden das von Parteimehrheiten geprägte Parlament und seine Politik um wertvolle Impulse ergänzen. Würde man sich unvoreingenommen und ergebnisoffen auf sie einlassen und damit der Beteiligung der Menschen größere Wertschätzung entgegenbringen, könnte man eingefahrene Gesetze und Regelungen überholen und in die Moderne übertragen. Ließe man zu, dass im Petitionsausschuss kein Fraktionszwang zu gelten hat und die Eingaben nicht nach den Launen der jeweils im Amt befindlichen Regierung aussortiert werden, wäre man empfänglich für manch eine Petition, die sicher der ein oder andere Abgeordnete insgeheim als richtig und ihre Bejahung unterstützenswert findet. Doch wer sich im Korsett der Verantwortung aufhält, lässt sich von außen ungern beraten – auch wenn selbst in der repräsentativen Staatsform hinreichend geregelt ist, dass das Mandat frei ist und ein Ohr am Geschehen im Land dem Politiker nicht schaden könnte. Was der Petitionsausschuss derzeit praktiziert, ist ein Affront gegen jeden, der sich die Zeit nimmt, seine Gedanken an das Parlament zu richten und sich mit seinen Entscheidungen auseinanderzusetzen. Er hat sich als eine basisdemokratische Ergänzung disqualifiziert und trägt mit seiner momentanen Umgangsweise mit eingehenden Eingaben zu einer weiteren Politikverdrossenheit und wachsender Verfassungsfeindlichkeit bei. Ich selbst zweifle zunehmend daran, ob ich meine kostbare Zeit für das Formulieren von Schreiben an den Bundestag künftig nicht eher für die Unterstützung eines Systems à la Schweiz einsetzen sollte. Denn schlimmer wird’s nimmer…




Ressort: Politik

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