- 01. Oktober 2024
Keine Barrierefreiheit bis 2027 in Weil am Rhein
Ein barrierefreier Zu- oder Abgang vom Gleis ist für immer mehr Menschen wichtig. Wo Aufzüge dafür die einzige Möglichkeit sind, werden Defekte zum großen Problem. Frustrierende Prognosen für die Barrierefreiheit bieten die Antworten des Verkehrsministeriums und der Deutschen Bahn auf Anfragen von SPD-Politiker Jonas Hoffmann.
Ältere, Menschen mit Rollstuhl und Familien mit Kinderwagen kennen die Problematik: An manchen Bahnhöfen in der Region wird der Weg zum Zug oder vom Bahnsteig weg zur Herausforderung. Dann muss gehofft werden, dass der Aufzug funktioniert. Etwa an Bahnsteigen der Bahnhöfe in Schopfheim, Weil am Rhein und Lörrach oder Haltepunkten Lörrach-Schwarzwaldstraße und Riehen-Niederholz. Leider sorgen Defekte und Vandalismus oft für Ärger bei Betroffenen.
Am Lörracher Hauptbahnhof werden seit Anfang Mai die Aufzugsanlagen ausgetauscht. Für die Infrastrukturgesellschaft, DB infraGO, die für Bahnhöfe und Anlagen verantwortlich ist, nicht unüblich. In einem Schreiben wird mit Verweis auf eine ältere Zeitplanung bemerkt, dass man mit einer Inbetriebnahme nach viereinhalb Monaten voraussichtlich „sogar etwas schneller unterwegs“ sei. Eine, mit Blick auf die Einschränkungen der betroffenen Personen, zynische Aussage.
Noch deprimierender ist die Aussicht für Reisende aus Freiburg, die in Weil am Rhein ankommen. Denn: An Gleis 8 gibt es überhaupt keinen Aufzug. Keine Chance für Menschen mit Rollstuhl. Und sehr schwierig für Eltern mit Kinderwagen und alle, die mit Koffer unterwegs, aber nicht gut zu Fuß sind. Die Prognose der Deutschen Bahn dazu: „Die vollständige Barrierefreiheit des Bahnhofs wird aus heutiger Sicht voraussichtlich im Jahr 2027/28 hergestellt.“
Einzige Möglichkeit, Richtung Süden nach Weil am Rhein zu fahren, ist, bis nach Basel zu reisen und dort einen Zug in die Gegenrichtung zu nehmen. Dass die von der SBB bediente und in der Regel pünktlich verkehrende S5 dann erreicht wird, ist wiederum ein Glücksspiel. Denn: seit Januar 2022 kamen im Schnitt nur drei von vier Nahverkehrszügen der Deutschen Bahn auf der Rheintalbahn mit weniger als vier Minuten Verspätung an. Im selben Zeitraum sind monatlich mindestens 100 Züge der DB auf der Rheintalstrecke ausgefallen.
Für Jonas Hoffmann ist dies ein untragbarer Zustand: „Es kann nicht sein, dass komplette Personengruppen vom öffentlichen Verkehr ausgeschlossen werden. Und es ist auch nicht zumutbar, dass es an einigen Orten zur Lotterie wird, ob man vom Bahnhof wegkommt. Je nach Tageszeit bedeutet ein defekter Aufzug, dass ein Mensch im Rollstuhl eine Stunde lang in der Kälte warten muss, um dann mit großem Zeitaufwand weiterzufahren, umzusteigen und zurückzufahren.“
Hoffmann ist angesichts wiederholten Nachhakens frustriert über den Zustand der Infrastruktur: „Die Situation rund um die Barrierefreiheit an Bahnhöfen zeigt das allgemeine Problem: Die Bahninfrastruktur ist in schlechtem Zustand. Wartung und Instandsetzung sind teuer und langwierig. Durch die Vernachlässigung in den letzten Jahren ist die Deutsche Bahn nicht mehr in der Lage, Projekte in einem erwartbaren Rahmen durchzuführen. Der Versuch der Privatisierung wirkt immer noch nach und war ein Fehler, der nie wiederholt werden darf.“
Hoffmann fordert: „Wir müssen Bahn und Staat wieder in einen Stand versetzen, in dem Projekte schnell und bezahlbar umgesetzt werden können. Denn die größten Leidtragenden sind immer die Schwächsten – wie bei der Barrierefreiheit.“
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