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Psychisch krank gleich hingelangt?
Schema Gehirn
  • 23. Februar 2020

Psychisch krank gleich hingelangt?

Von Super User

Zwischenruf zum rechtsterroristischen Attentat von Hanau

Es ist wie ein Reflex: Schon kurz nach einem schweren Gewaltverbrechen tauchen die ersten Stimmen auf, die dem Täter psychische Probleme nachsagen. Zweifelsohne: Mit dem normalen Menschenverstand ist es schwierig, solches Vorgehen eines Terroristen wie jetzt in Hanau nachvollziehen zu können.

Gleichsam gilt: Es ist zwar naheliegend, dass derartige Kriminelle aus tiefstem Hass und möglicherweise auch mit einem sprichwörtlichen „Wahnsinn“ handeln. Es ist also verständlich, wenn wir sie als „Irre“ bezeichnen und sie in die Ecke psychisch Kranker schieben. Doch wie viele Straftaten gehen auf das Konto von geistig völlig gesunden Menschen?

Viele Gerichtsprozesse zeigen: Nicht allein aufgrund der Schwere einer Straftat lassen sich Rückschlüsse auf den Geisteszustand und die Zurechnungsfähigkeit eines Angeklagten ziehen. Wiederum tun wir einer Menge an Menschen unrecht, die seelisch erkrankt, aber für ihre Außenwelt völlig harmlos bleiben.

Auch mir tut es als Betroffenem psychischer Krankheiten weh, wenn ich insgeheim auf eine Stufe mit Mördern gestellt werde, die zugleich die von mir zutiefst abgelehnte rechtsextreme Ideologie verbreiten. Wir müssen etwas sorgfältiger in der Berichterstattung werden, Pauschalisierungen vermeiden und Generalisierungen aussparen.

Und auch in den Köpfen der Gesellschaft braucht es ein Umdenken – eine Neuausrichtung, was unsere Synapsen angeht: Die plötzliche und unverhohlene Verknüpfung seelischen Leidens eines Unbekannten mit unserem programmierten und vorurteilhaften Denken, er könne aus Gründen seiner Erkrankung gefährlich sein, wird niemandem gerecht. Wie viele Bluttaten geschehen täglich ohne das Zutun eines psychischen Handicaps.

Bei vollem Bewusstsein, vollends orientiert und ohne kognitive Einbuße – der typische Schwerverbrecher ist keinesfalls paranoid, sondern oftmals der völlig unauffällige Nachbar von nebenan. In zahlreichen Präventionsprojekten quer durch die Republik versuchen engagierte Mitstreiter, bereits Schulklassen ein Verhalten beizubringen, das die seelische Gesundheit ernstnimmt, die psychische Krankheit und ihre Betroffenen aber nicht stigmatisiert.

Jeder von uns kann im Alltag etwas dafür tun, dass solche Äquivalente überhaut nicht erst entstehen. Mehr Aufmerksamkeit für den Einzelnen, den Nächsten beobachten und im Zweifel Unterstützung suchen – so helfen wir Menschen mit psychischer Last am meisten.

Und ich bin sicher, durch eine sorgsame Quartierspolitik, die das Zwischenmenschliche in den Mittelpunkt stellt und im Wohnblock gegenseitige Achtsamkeit lebt, erreichen wir im Zweifel auch die, die auf falsche Pfade abzurutschen drohen. Hinsehen statt wegzuschauen, präventiv handeln statt polemisch reagieren – das wünsche ich mir von unserer Gesellschaft.


Ressort: Lifestyle & Wohlbefinden

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