- 26. April 2022
Führung? Gibt’s da auch Gruppenrabatt?
Kommentar zu Olaf Scholz schweigen
Ja, ich vermute einmal blindlinks, dass ich die sachlichen Beweggründe, die Olaf Scholz in seiner momentanen Ukraine-Politik bewegen, durchaus verstehen kann. Allerdings ist es nicht meine Aufgabe, unseren Regierungschef tiefenpsychologisch zu deuten. Vielmehr müsste es sein Anspruch sein, sich verständlich, nachvollziehbar und transparent gegenüber der Bevölkerung, dem Parlament, den NATO-Partnern und Selenskji zu erklären.
Denn der SPD-Politiker scheitert eben gerade nicht daran, dass niemand seine zögerliche Haltung gegenüber der Lieferung von schweren Waffen akzeptieren und möglicherweise sogar mittragen würde. Viel eher ist es ein Problem der Kommunikation, welches den einigermaßen mundfaul anmutenden Hamburger zum schlechtesten Kanzler seit Beginn der Bundesrepublik macht. Zweifelsohne hat er vermutlich noch weit mehr als drei Jahre Zeit, dieses Image aufzupolieren.
Allerdings sollte er alsbald damit beginnen, denn die momentane Weltlage erlaubt keine Verzögerungen. Wir können nicht darauf warten, bis Scholz seine Gedanken sortiert und sie derart abgewogen hat, dass sie der Öffentlichkeit zumutbar oder möglichst vorgekaut und bekömmlich sind. Führung sei es gerade auch, dass man nicht so handele, wie es Andere erwarteten, argumentierte der Sozialdemokrat und offenbarte damit: Seine Definition von Richtlinienkompetenz ist mit dem notwendigen Proaktivismus, den ein Kabinettschef mitbringen muss, keinesfalls vereinbar.
Dass der Kanzler zum Jagen getragen werden muss, belegt seine Unfähigkeit, Entscheidungen zu begründen und sie nach außen zu vermitteln. Schlussendlich bezweifle ich nicht, dass er einen inneren Wertekompass hat, von dem er geleitet wird. Auch bin ich mir sicher, dass Scholz Entschlüsse fassen kann. Allerdings benötigt er für seine Abwägungen zu lange – und legt sie dem Volk nur scheibchenweise auf Nachfrage dar.
Ich erwarte von einem Kanzler das Vorangehen, nicht das Hinterherlaufen. Dass es in Bezug auf Handlungsspielräume viele Einflüsse gibt, die die Bundesregierung nicht so praktizieren lassen, wie man es sich wünscht, wird spätestens durch die Weigerung der Schweiz, in deutschen Panzern verbaute Munition der Eidgenossen an die Ukraine weiterzugeben, beschämend sichtbar. Hierfür können weder Scholz, Lambrecht, noch Baerbock etwas. Dass man in Bern einen falschverstandene Neutralität hochhält, ist allein die Verantwortung der Alpenrepublik selbst.
Doch warum müssen solche Umstände wiederum erst durch die Medien aufgedeckt werden? Weshalb müssen es ehemalige und aktuelle Militärs der Bundeswehr sein, die die Tatsache festhalten: „Unsere Armee ist blank!“? Es wäre am Bundeskanzler, solche Hindernisse publik zu machen, denn sie würden ihn in der derzeitigen Lage vom Vorwurf entlasten, dass er es alleine ist, der sich gegen Waffenlieferungen nach Kiew ausspricht. Natürlich kann auch die SPD nicht von der Anschuldigung befreit werden, das Zaudern und Zögern der Regierung durch innere Zerstritten zu befördern.
Ich bin überzeugt: Viele Deutsche würden es nachsehen und sogar unterstützen, wenn die Bundesrepublik aus begründeten Sorgen um eine mögliche Ausbreitung des Krieges und im Bewusstsein, dass am Ende nur eine diplomatische und pazifistische Lösung für den Konflikt gefunden werden kann, von einer weiteren Aufrüstung der Ukraine absieht. Doch solch eine Haltung muss man den Menschen nahebringen und verständlich artikulieren.
Gegenüber Scholz ist der ebenfalls norddeutsche Kubicki eine Plaudertasche. Und würde sich der Kanzler nur ein kleines Stück von der Redseligkeit seines Bundesgesundheitsministers abschneiden, würde man glauben, dass Scholz Führung nicht nur im Museum verortet…
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