- 01. November 2021
Zweckentfremdetes Sendungsbewusstsein
Kommentar
zur Kritik der Fraktion „Linke Liste“ im Konstanzer Stadtrat an der dortigen „Hillsong Church“
Die „Hillsong-Church“ ist in ihrer Tradition der pfingstkirchlichen Bewegung charismatisch orientiert und stark auf die Verheißung des Heiligen Geistes fokussiert. Das allein macht sie nicht bedenklich, denn auch der Evangelikalismus hat in einem demokratischen und von Religionsfreiheit geprägten Gemeinwesen seinen Platz.
Nachdem ich vor langer Zeit selbst einmal einen Gottesdienst in einer dieser Kirchen besucht hatte, war ich als liberal denkender Protestant durchaus irritiert. Allerdings ist auch das noch kein Grund, entsprechende Zweifel zu hegen. Doch ich stimme der Linken Liste in Konstanz trotzdem in Teilen ihrer Kritik zu:
Auch meine Erfahrung ist es gewesen, dass die Prediger und Mitarbeiter von „Hillsong“ mit ihren Aussagen und ihrem Gesang einen religiösen Absolutheitsanspruch vertreten. Sobald aber eine Glaubensgemeinschaft nur die Tendenz aufweist, eine alleinige Wahrheit zu verkündigen, muss der Beobachter hellhörig werden.
Wenngleich auch mir der erweckende Charakter von nahezu himmelschreiender Offenbarung, vollständiger Hingabe und unkritischem Gottvertrauen fremd ist, macht noch nicht die Art der Gottesdienstgestaltung, die auf einen nicht-freikirchlichen oder unreligiösen Menschen durchaus verstörend wirken kann, die Skepsis aus, die gegenüber der „Hillsong-Kirche“ aber durchaus nötig ist.
Denn sie zweckentfremdet nach meinem Verständnis ihr diakonisches Tun für eine offensive missionarische Arbeit. Es fällt schwer, das soziale Engagement der Gemeinde von deren Absicht zur Bekehrung zu unterscheiden. Wer Unterstützung und Hilfe für notleidende Menschen mit einem gleichzeitigen Werben für das eigene Bekenntnis vermischt, begibt sich in eine Grauzone der Glaubwürdigkeit.
Da ich mit dem Ansinnen des Missionierens ohnehin meine Schwierigkeiten habe, macht mich auch das fast schon aufdringlich wirkende Agieren von „Hillsong“ nachdenklich. Konkrete Anzeichen für eine Sekte erkenne ich zwar nicht. Dennoch sollte die Zivilgesellschaft immer dann wachsam sein, wenn bereits die Mutmaßung existiert, dass Nächstenliebe nur im Falle dessen gewährt wird, dass im Gegenzug Jesus als Erretter anerkannt wird.
Glaube ist eine zutiefst freiwillige Angelegenheit, die nicht aufoktroyiert werden kann. Sobald Bedürftigkeit genutzt wird, um ein Gegenüber für eine religiöse Überzeugung zu gewinnen, wird eine Sendung zur Verbreitung des Evangeliums ad absurdum geführt.
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