- 08. Dezember 2020
Katharina Rähmi erhält den ERNTE-Kunstpreis der Mobiliar 2020
Katharina Rähmi (*1957) erhält den ERNTE-Kunstpreis der Mobiliar 2020 Die begehrte Auszeichnung des ERNTE-Kunstpreises wird seit 1999 alle zwei Jahre im Rahmen der jurierten ERNTE, der Jahresausstellung der Schaffhauser Kunstschaffenden verliehen. Die diesjährige Ausgabe der ERNTE findet vom 6. Dezember 2020 bis 21. Februar 2021 unter Beteiligung von 14 bzw. 15 Künstlerinnen und Künstlern statt - darunter ein Künstlerduo. Sie wurden aus 63 Bewerbungen ausgewählt. Die ERNTE gibt Einblick in das aktuelle Kunstschaffen aus und in der Region Schaffhausen.
Der mit 10‘000 Franken dotierte Preis wird wie bereits 2016 und 2018 von der Mobiliar Genossenschaft Generalagentur Schaffhausen gestiftet, die dankenswerterweise auch die Ausstellung unterstützt. Die diesjährige Kunstpreis-Jury stellten Katharina Epprecht (Direktorin Museum zu Allerheiligen), Alexandra Meyer (Künstlerin, Basel) und Helga Sandl (Kulturleiterin Jakob und Emma Windler-Stiftung, Stein am Rhein).
Anlässlich der Ausstellungseröffnung wurde der ERNTE-Kunstpreis der Mobiliar 2020 an die Künstlerin Katharina Rähmi verliehen für ihr Werk RICE_CIRCLE_MOON, 2019/2020. Es handelt sich dabei um eine grosse, runde Bodenarbeit von vier Metern Durchmesser. Die Künstlerin hat sie aus Schweizer Rundkornreis direkt auf dem Ausstellungsboden ausgelegt. Dicht an dicht liegen die Reiskörner nebeneinander und füllen den ganzen Kreis, gerade mal ein Korn hoch. Das Werk strahlt Ruhe aus, die mitunter von der langen, konzentrierten Arbeit der Künstlerin zeugt. Es erinnert an eine Mondscheibe. Der Kreis ist eine Urform, symbolisiert Vollkommenheit und verweist auf die Geheimnisse von Leben und Sterben. «Das unscheinbare Reiskorn fasziniert mich mit seinen Dimensionen und Zyklen», sagt Rähmi und fährt fort: «Reis wird seit 9000 Jahren kultiviert und dient weltweit als Grundnahrungsmittel. Korn ist in vielen Traditionen der Inbegriff von Leben, Werden und Vergehen. Seit 2013 beschäftige ich mich künstlerisch mit Reis. Und es ist wie die Natur beobachten.»
Die Jury begründet ihren Entscheid für die Preisvergabe mit den nachfolgenden Betrachtungen: Das Werk von Katharina Rähmi gibt zu sehen, zu denken, aber vor allem zu erleben. Es spricht alle Sinne an. Wer sich der Bodenarbeit nähert, sie umrundet, tut dies achtsam und körperbewusst, denn die präzis angeordneten Reiskörner liegen ungeschützt und als Einheit auf dem nackten Boden.
Achtsamkeit und Hingabe sind denn auch der Modus, in dem die Künstlerin in vielen Stunden kniend die Reiskörner ausgelegt hat. Die sorgfältige Behandlung verweist auf die Wertschätzung von Reis und seiner Bedeutung als Nahrung für die Menschheit. Anbau, Pflege und Ernte von Reis erfordern ebenso ungezählte Arbeitsstunden, die anderer Menschen. Zudem wird Reis als Kunstwerk selber zu Nahrung, zu einer Art geistiger Nahrung. Der Reiskreis ernährt uns in der Betrachtung. Er fasziniert durch seine Schlichtheit ebenso wie durch seine Grösse. Und er strahlt eine enorme Stille aus. Die Assoziation mit dem Mond, der passiv leuchtet, eröffnet eine Verbindung zum Universum.
Gleichzeitig ist der Reiskreis durchscheinend und lenkt unsere Aufmerksamkeit nicht nur hoch zum Kosmos, sondern auch runter auf den Boden und dessen Struktur. Er macht ihn quasi sichtbarer, indem er ihn bedeckt. Augenfällig wird, wie unterschiedlich die einzelnen Körner sind in Form und Farbe. Der Blick pendelt dabei zwischen dem raumgreifenden Ganzen und seinen Details.
Die Jury streicht insbesondere die zahlreichen Anknüpfungspunkte hervor, die das Werk anregt. Dabei wird mitunter der Aspekt des Kulturtransfers gelobt. Eine besondere Rolle kommt dem Reis in verschiedensten Kulturen als Opfergabe zu. Auch wird in zahlreichen Traditionen das Ritual des Reiswerfens gepflegt. Reis gilt als Symbol für Fruchtbarkeit, Wachstum, Reinheit, aber auch für Glück. RICE_CIRCLE_MOON zeigt beispielhaft, wie viele Dimensionen durch ein Kunstwerk anklingen respektive darin verdichtet sein können.
Mit ihrer Werkserie REIS erarbeitet und erforscht die Künstlerin seit mehreren Jahren und mit immer wieder dem gleichen "Werkstoff", was dieser preisgibt. Dabei lotet sie auch künstlerisch ein grosses Spektrum aus: Nebst Bodeninstallationen mit Reis malt und zeichnet sie, schafft Skulpturen aus Keramik, macht Entwürfe für Stickereien oder arbeitet mit Video. Ihr Werk in der Ausstellung wird sie zu guter Letzt zusammenwischen und den Reis zu Reisleim einkochen. Diesen braucht sie, um ihre Tuschemalereien aufzuziehen.
Nachdem Katharina Rähmi die REIS-Serie 2019 und 2020 in zwei grossen Einzelausstellungen in China zeigen konnte, realisiert sie in Schaffhausen erstmals einen Reiskreis in der Schweiz. Hier erinnert er wohl auch an die Wood Circles von Richard Long. Vielleicht auch an die Werke des süddeutschen Künstlers Wolfgang Laib.
Katharina Rähmi (*1957) lebt und arbeitet in Zürich.
www.katharinaraehmi.com
Das auf Sonntag, 13. Dezember 2020 angekündigte Werkgespräch mit der Künstlerin und Isabelle Köpfli wird aufgrund der durch den Kanton beschlossenen coronabedingten vorübergehenden Schliessung des Museums aufs neue Jahr verschoben und u.a. auf der Website des Museums angekündigt werden.
Begleitveranstaltungen
MUSEUMSHÄPPCHEN - abgesagt!
Do 10. Dezember 2020, 12.30 Uhr
Ernte gut, alles gut
Kurzführung (30 Min.) mit Isabelle Köpfli und Künstler*innen. Anschliessend gemeinsamer Lunch.
WERKGESPRÄCH - abgesagt!
So 13. Dezember 2020, 11.30 Uhr
mit der/dem ERNTE-Kunstpreisträger*in und Isabelle Köpfli
MEET THE ARTISTS
Do 7. Januar 2021, 12.30 Uhr
So 17. & So 24. Januar, 11.30 Uhr
Rundgang mit beteiligten Künstler*innen und Isabelle Köpfli
KURATORENFÜHRUNG
Mi 27. Januar 2021, 12.30 Uhr
OPEN HOUSE
So 21. Februar 2021, 11–17 Uhr
Finissage ERNTE 20 mit Künstler*innen
Vernissage DOPPIO II mit Künstler*innen
Wichtig: Anmeldung für alle Veranstaltungen erforderlich bis spätestens am Vortag unter
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